„Mensch, wo bist Du?“ Der diesjährige Evangelische Kirchentag, der als „Störenfried“ der Gesellschaft schon seinen 60. Geburtstag feierte, ist angesichts der aktuellen Probleme leiser über die Bühne(n) gegangen als von vielen Älteren erwartet. In den Diskussionen und Bibelarbeiten wurde zwar Tacheles geredet, aber oft erst am Ende und konkrete Forderungen wurden nicht gestellt Renate Lück Berichte von Eberhard Braun, Anita Gröh, Ehepaar Hauger und Renate Lück. | |
Mein Kirchentag – zum ersten | |
Ein schöner tag in Bremen meine gastgeber haben mir ein fahrrad geliehen und so fahre ich los- ich habe zeit. von Ritterhude der Hamme und der kleinen Wümme entlang frösche quaken schwertlilien und seerosen blühen und auf den feldern mit ihren kanälen stinkt die ausgebrachte gülle fahrradfreundlicher kirchentag es ist zu spüren als ich ankomme in Bremen aber noch hat er ja nicht begonnen es ist Mittwochmorgen die stille vor dem sturm Cap San Diego heißt das schiff es liegt im Europohafen der kein hafen mehr ist umgebaut wird zu wohnungen und kultur-schuppen ein alter frachter, 1961/62 gebaut und bis 1981 unterwegs nach Südamerika heute noch fahrtüchtiges museumsschiff die zeiten haben sich geändert bald werden in der region keine schiffe mehr gebaut alles verändert sich sagt der zum Museumswärter gewordene seemann im bauch dieses schiffes ist dann die rede von einem kirchentag mit besonderem gepräge: 60 Jahre Grundgesetz 60 Jahre Kirchentag 20 Jahre Wendezeit mensch, wo bist du? fragt gott so die lange zuvor prophetisch erwählte losung es sei kairos die wachstumsideologie ins wanken geraten: dieser götzendienst muss beendet werden. Da sind sie sich einig: Karin von Welck Ellen Überschär Renke Brahm Präsidentin - Sekretärin und der gastgebende Schriftführer (andernorts wäre er ein Bischof, aber einen solchen wollen die Bremer Reformierten samt ihren beisitzenden Lutheranern nicht) | Dann die stadt und der dom und dort am Dom St. petri das Gedenken: die Bronzetüren von Peter Fuchs von 1891 zeitgeistig mit judenhüten und fratzen gestaltet mahnen zur selben zeit haben die Leipziger ein Mendelssohnfenster verhindert - schließlich war er Jude! jugendliche rappen eindrucksvoll breakdancend über die noch immer und immer neu aufbrechenden konfikte und aggressionen: Juden Fremde Migranten - die anderen am Osterdeich dann sammeln sich menschen zum eröffnungsgottesdienst eindrücklich die jonageschichte zu wenig prophetisch freilich die predigt finde ich denn: geht es mir, müsste es uns nicht gehen wie Jona? vor dem was jetzt zu sagen ist möchte ich mich drücken, möchte fliehen, lieber sterben als das sagen zu müssen was heute zu erkennen und zu sagen ist so aber wird’s ein friedlicher abend der begegnung ein kirchentag im spagat zwischen wellness-wohlfühloase und zeitansage gericht und scharfes wort das wie ein schwert hineindringen müsste in die herzen der gewissenlosen absahner all der macher und weitermacher wie weit sind wir davon entfernt? vielleicht ist es ja ein zeichen: mittendrin am dom an prominentester stelle und also sozusagen im Herzen des kirchentags und seiner stadt spielt die bigband der bundeswehr sie spielt gut und mitreißend und wirbt fürs soldatsein dabei müssten wir doch „den krieg nicht mehr lernen“ Tempora mutantur, nos et mutamur in illis oder nicht? |
Eberhard Braun, Bremen, 20.5.2009 |