Jubiläum der OFFENE KIRCHE in Württemberg beginnt mit einer Auftaktveranstaltung

50 Jahre OFFENE KIRCHE in Württemberg: Auftaktveranstaltung mit EKD-Präses Anna-Nicole Heinrich und Bischofskandidatin Dr. Viola Schrenk am 21. Januar 2022 im Gedenkort "Hotel Silber" in Stuttgart

Die beiden OK-Vorsitzenden Miriam Bauer und Hans Probst, Foto: Eberhard Braun

Pfarrer Christoph Zeyher, einer der Neuen im erweiterten Vorstand, begrüßte die 50 erlaubten Gäste im Hotel Silber in Stuttgart, ein Haus mit wechselvoller Geschichte. Das frühere Parkhotel Silber war von 1937 bis ’45 von der Gestapo besetzt und deren Gefängnis. 2011 wurde es saniert, nachdem Stuttgarter Bürger für seinen Erhalt gekämpft hatten, und seit 2015  ist es ein Lern- und Erinnerungsort zur NS-Geschichte. Dieses Haus suchte sich die OK aus, die seit ihrer Gründung gegen die Verengung der biblischen Botschaft und gegen jede Form von Diskriminierung eintritt, um ihr Jubiläumsjahr zu beginnen. Wer nicht persönlich dabei sein konnte, hatte die Möglichkeit, die Veranstaltung im Lifestream zu verfolgen.

Bevor die beiden Vorsitzenden Miriam Bauer und Hans-Ulrich Probst Mitglieder und Gäste begrüßten, begann die Cellistin Sophia Saiger mit einem Prelude aus den Suiten von Johann Sebastian Bach. Speziell begrüßt wurden dann drei anwesende Gründungsmitglieder: Christian Buchholz, Immanuel Nau und Fritz Röhm, die zusammen mit vielen anderen für den gesellschaftlichen Wandel und Aufbruch in der Kirche eintraten. Die das Ohr bei den Entrechteten und Ausgegrenzten haben und für sie den Mund aufmachen wollten, so Miraim Bauer. Hans Probst ergänzte: „Wir sind stolz darauf, nun der größte Gesprächskreis in der Landessynode zu sein, aber auch an den Fragen der Zeit zuarbeiten. Die Herausforderungen sind so drängend.“ Und er fragte: „Welche Rolle kann die OK für die Transformation spielen bei den Krisen in der Gesellschaft, was braucht die Kirche jetzt?“

Matthias Vosseler, Pfarrer an der Stiftskirche in Stuttgart und wie Probst Synodaler der Landeskirche - allerdings für „Kirche für morgen" (KfM) - gratulierte zum ersten halben Jahrhundert. Die Stiftskirche sei täglich eine offene Kirche, auch wenn alle Geschäfte außer der Apotheke geschlossen sind. „Sie ist ein Raum für Meditation, Stille und Seelsorge. Die evangelische Kirche sollte konsequent die Kirchen offen halten, auch digital.“ Er hatte sich das Visionspapier „Kirche 2020“ vorgenommen, das die damaligen OK-Vorsitzende Kathinka Kaden 2010 veröffentliche.  „Welche Vision ist Wirklichkeit geworden und welche nicht?“, fragte er. „Es nimmt sich vor, dass bis 2020 40 Prozent der Leitungspositionen von Frauen und Männern besetzt sind. Das ist bei den Theolog*innen ungefähr erreicht. Bei Juristen nicht.“ Dass die Sitzungen der Landessynode von der Präsidentin eröffnet, geschlossen oder vertagt wird,  ist noch nicht erreicht. Noch mache dies der Bischof, wie in königlichen Zeiten. „Das ist keine Dauerlösung. Danke für euer Engagement. Mit euch wird es nie langweilig. Es gibt bei euch Positionen, die mich freuen, aber auch welche die mich tierisch ärgern.“  Dass für die Auftaktveranstaltung des Jubiläumsjahrs dieses Haus - vom schönen Hotel, zum Unort und jetzt Mahnmal -  gewählt wurde, fand er gut. Wenn er durch die Else-Josenhans-Straße gehe, die getötet wurde, als die Franzosen kamen, mache es ihn fassungslos, wenn Menschen behaupten, dass wir heute auch in einer Diktatur lebten. (Else Josenhans war Tochter eines jüdischen Bankers und Ehefrau eines evangelischen Pfarrers, Red.) Er beendet sein Grußwort mit einem Zitat von Martin Luther King: „Dunkelheit kann Dunkelheit nicht vertreiben, das kann nur Licht. Hass kann Hass nicht vertreiben, das kann nur die Liebe.“

Die Juristin Sabine Foth, seit der letzten Kirchenwahl Präsidentin der Landessynode, fragte ihre Vereinsgenossinnen und -genossen: „Ist die OK stehen geblieben?“ Und antwortete selbst: „Nein. Die Kirche darf nicht stehen bleiben. Ohne die Mahnungen und vorantreibende Kraft der OK sähe die Landeskirche anders aus. Vieles haben wir auf den Weg gebracht. Vieles ist gelungen. Manchmal sind wir ungeduldig. Ich bin ein bisschen stolz auf das, was wir geschafft haben und nun die Chance besteht, eine Bischöfin zu wählen.“

Und die Bischofskandidatin Dr. Viola Schrenk dockte gleich an der sozial-ökologischen Transformation zu Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung an und fragte: „Können wir als Akteure, als Teil der Veränderungen, in Württemberg die Transformation beeinflussen? Was ist dazu nötig?“ Sie stellte drei Perspektiven vor: die globale, die gesellschaftliche und die kirchliche. Zur globalen Perspektive gehöre die Ökumene, die weltweite Vernetzung bei den Themen Klima, Gesundheit und Migration. „Bei der Ökologie ist noch Luft nach oben.“ Zum gesellschaftlichen Aspekt fragte sie rhetorisch: „Darf die Kirche sich äußern? Ja, sie soll und muss für Bildung, gegen Armut und Ausgrenzung sowie für die Stärkung ökologischer Verantwortung. Die Klimagerechtigkeit gehört zu unserem Kern.“ Beim kirchlichen Aspekt betonte sie, dass Vernetzung ebenso wichtig ist wie der ganz praktische Einsatz vor Ort. Es gelte, Ermüdung entgegen zu wirken und Lust zu entwickeln, Neues auszuprobieren.  „Ich wünsche mir für meine Kirche, dass wir vom Hang zur Überregulierung wegzukommen, die so oft den guten Schwung ausbremst. Wir brauchen ein neues Bewusstsein dafür, als Haupt-, Neben- und Ehrenamtliche gemeinsam auf Augenhöhe unterwegs zu sein, damit wir uns vernetzen, anregen und stärken. Das ist mein Wunsch für die nächsten zehn Jahre.“ 
Die EKD-Präses Anna-Nicole Heinrich knüpfte an einen Punkt in den OK-Visionen 2020 an: „Ich darf die Synode eröffnen und schließen!“ Aber dann stieg sie auch in die sozial-ökologische Transformation ein: „Können wir nur, wenn wir müssen?“ Sie erinnerte daran, das vor ebenfalls 50 Jahren der Club of Rome schon schrieb: „Wenn wir so weiter leben, sind wir in hundert Jahren am Ende.“ Es gab dann jeden Menge Klimakonferenzen, aber einen Masterplan gebe es nicht. „Wir reden über Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Warum erst jetzt? Weil wir müssen?“ Sie zählte auf, woran sich die Wohlstandsgesellschaft alles gewöhnte, aber wir müssten unseren Wohlstand überdenken. Die Klimakrise sei keine Krise des Klimas, sondern der Menschen. „Verzicht und Begrenzung scheint uns bedrohlich zu sein. Hier sind wir als Kirche besonders herausgefordert. Nicht Geld und Konsum machen uns frei, sondern die Zusage Gottes. Wir sind von Gott reich beschenkt, aber das müssen wir erst einmal checken.“ Wir müssten unsere Kräfte bündeln, mit Kooperationspartner, wie Fridays for Future, zusammenarbeiten und da sein, die Zusage Gottes und Hoffnung weitergeben. „Wir wissen um unsere Verantwortung. Die Kirche kann einen großen Beitrag leisten. Es muss eine klimagerechte Kirche sein.  Wir müssen das Thema einfordern. Die Prüfkriterien müssen bei allen Entscheidungen gelten. Dann sind wir Mahner, Mittler und Motor. Das Gute ist: Wir können!“

Sophia Saiger leitete mit Träumereien von Robert Schumann und dem Guten-Nacht-Lied „Der Mond ist aufgegangen“ in den gemütlichen Teil des Abends über, in dem sich die Gäste im Freien oder im Foyer bei Snacks und Getränken noch unterhalten konnten.

Renate Lück