Mittelfristige Finanzplanung in der Landeskirche

OK-Gesprächskreis-Votum von Birgit Auth-Hofmann zur Mittelfristigen Finanzplanung, gehalten vor der Synode bei ihrer Sommertagung 2021

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Dr. Kastrup, liebe Synodale,

„Spare in der Zeit, dann hast du in der Not - so könnte man die vergangenen Jahre und die derzeitige Lage der landeskirchlichen Finanzen zusammenfassen!“ so Angelika Klingel vor einem Jahr an dieser Stelle. Daran hat sich bis heute nichts geändert. 

Nach Jahren der sprudelnden Kirchensteuereinnahmen sind diese im vergangenen Jahr eingebrochen, allerdings nicht so stark wie befürchtet. Auch die Prognose für dieses Jahr ist erstaunlich gut, wenn wir auch das nicht erreichen werden. Dies alles haben wir unseren uns verbundenen und treuen Kirchenmitgliedern zu verdanken, sodass wir trotz Corona wichtige Aufgaben wahrnehmen und erfüllen konnten. Dies müssen wir auch weiterhin tun, um mit Profil in unserer Gesellschaft wahrgenommen zu werden. 

Die Gemeinden allerdings haben durch die Corona-Krise enorme Belastungen zu tragen, die Kindertagesstätten mussten geschlossen werden, Elternbeiträge sind weggebrochen, Erzieherinnen und Erzieher erhielten weiterhin ihr Gehalt ohne Kurzarbeit, ebenso Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker, die ohne Einnahmen durch Konzerte u.a. finanziert werden mussten. Auch sind durch ausgefallene Gottesdienste die Opfereinnahmen zurückgegangen, erhöhte Kosten durch Schutzmaßnahmen und diakonische Aufgaben kamen hinzu. Einnahmen aus Gemeindefesten, Weihnachtsbazaren, Benefizveranstaltungen konnten nicht erzielt werden und das sind doch immer erhebliche Summen zur Entlastung der örtlichen Kirchengemeindehaushalte. Die Spenden bei Geburtstagsbesuchen sind deutlich weniger geworden, weil Pfarrerinnen und Pfarrer oft nur telefonisch gratulieren konnten oder weil es kein Fest gab, bei dem Gäste für einen guten Zweck gespendet haben.
Wenn wir sparen müssen, müssen wir ganz genau hinschauen, wo wir sparen und wie wir sparen, ganz dringend benötigenwir unsere inhaltliche Arbeit auch in den Werken und Diensten! Wenn wir unsere inhaltliche Arbeit dort abschaffen, an der sie die Menschen in ihren Lebenszusammenhängen berührt, aufsucht und betrifft, bedeutet dies keine Kostenersparnis, sondern es ist ein sicherer Schritt, um Kirchenmitglieder zu verlieren bzw. um diejenigen, die wir gewinnen könnten, abzuschneiden. Wir verlören deutlich an Profil, wenn wir dies in eine andere Trägerschaft übergeben.
Manch eine Kirchengemeinde, manch ein Kirchenbezirk hat den Mut, stellt sich dem Abwärtstrend entgegen und investiert in Neues. So gibt es neue Fundraiser*innenstellen und Stellen für Öffentlichkeitsarbeit. Für all das brauchen wir Geld und das Geld ist da!

Darum ist es für die OFFENE KIRCHE nicht darstellbar, dass im nächsten Jahr die Gemeinden mit einer um 0,7 Prozent geringeren Zuweisung auf Basis des Jahres von 2020 ihre vielfältigen Aufgaben wahrnehmen sollen. Wir als OFFENE KIRCHE fordern, die Zuweisung der Gemeinden für 2022 in Höhe der Zuweisung von 2020 zu belassen und die Kirchensteuerentwicklung in diesem Jahr unter Corona zu beobachten. Der wirtschaftliche Aufschwung ist erkennbar – wenn ich den Prognosen der Weisen Glauben schenke – und wir als Gesellschaft lernen, mit der Pandemie umzugehen und zu leben.
Denn Einsparungen von nominal 0,7 % sind real deutlich mehr, wenn wir von einer Inflation in Höhe von 2 % pro Jahr ausgehen. Da stellt sich die Frage, ob wir mit unseren Geldanlagen mit Blick auf Zinsen und Inflation überhaupt den angelegten Wert erhalten können. Hier wäre es angebracht, einen Teil des Geldes in den Wohnungsbau zu investieren, um bezahlbaren Wohnraum – auch für kirchlich Mitarbeitende – zu schaffen und damit ein Zeichen in unserer Gesellschaft zu setzen. 

Prognosen in die Zukunft sind immer unsicher und je weiter in die Zukunft geplant, desto unsicherer. Die Mittelfristplanung zeichnet ein düsteres Bild. Als Konsequenz hören wir immer nur KÜRZEN. Dieses Kürzen gilt dann aber auch für Maßnahmen, die schon in der mittelfristigen Planung aufgenommen wurden, aber noch nicht oder in einem anderen Umfang begonnen wurden. Nur weil eine Maßnahme dort aufgenommen ist, bedeutet dies nicht, dass wir diese nicht nochmals auf den Prüfstand stellen sollten. z.B. die vernetzte Beratung mit einem Kostenvolumen von 20 Millionen Euro, die Begründung „Umstellung des Rechnungswesens“ und „Umsatzsteuerpflicht“ ist nicht nachvollziehbar und Change Management ist eine ganz normale Führungsaufgabe. Dafür weitere Stellen zu schaffen, die Maßnahme zu verlängern, da schon Stellen besetzt sind, sind keine stichhaltigen Begründungen. Wir befinden uns am Beginn des 3. Jahrzehntes des 21. Jahrhunderts, da ist es normal, dass sich Dinge ändern bzw. geändert haben im Vergleich zu 50 Jahren zuvor – Töpfchenwirtschaft. Bei dieser Maßnahme wäre esdringend angebracht, nochmals genauer hinzuschauen und Einsparungen vorzunehmen.
Die demografische Entwicklung können wir nicht beeinflussen – freue mich, dass wir Babyboomer für wirtschaftliche Stabilität sorgen, noch - , beeinflussen können wir aber das Austrittsverhalten unserer Mitglieder, das wieder auf dem Niveau von 2019 angelangt ist. Wenn ich höre, es ist der Klassiker, wenn junge Erwachsene nach langem Studium beim erstmaligen Blick auf ihren Gehaltszettel aus der Kirche austreten, dann stelle ich mir schon die Frage, was müssen wir verändern, damit dies eben nicht mehr der Klassiker ist? Was muss geschehen, damit wir diesen Trend aufhalten. Religionsunterricht, Chöre usw. sind offenbar nicht die Antwort. Es genügt nicht der Blick auf dies, was wir schon tun (für unsere Kerngemeinde), sondern es ist wichtig darauf zu schauen, was wir nicht tun im Blick auf die der Kerngemeinde ferneren Mitmenschen. Und auch Fundraising bedeutet nicht nur, um Geld für eine gute Sache zu bitten, sondern auch „Mitmacher gewinnen“. Gemeindeaufbau mal anders. Wir müssen gesellschaftlich wieder relevanter werden, Profil zeigen, aber authentisch bleiben. Dafür benötigen wir Ideen und auch Geld.

Die Mittelfristplanung ist ein Steuerungselement, das es uns allen erlaubt, Maßnahmen zu ergreifen, damit diese düstere Prognose sich in ein positives Bild wandeln kann. 

Birgit Auth-Hofmann