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Zur Fastenzeit

                         
Der Vorstand der OFFENEN KIRCHE (OK), Evangelische Vereinigung in Württemberg, hat zu Beginn der Fastenzeit folgende Erklärung verabschiedet:
Württembergische Evangelische Kirche - wohin?

Der Einfluss der Evangelikalen hat in der Württembergischen evangelischen Kirche übermäßig zugenommen. Angesichts evangelikaler theologischer Engführungen, wie sie in der „Glaubensbasis“ der „Evangelischen Allianz in Deutschland“ zum Ausdruck kommen, der die konservative Synodalmehrheit verbunden ist, stellt sich die Frage: „Württembergische Evangelische Kirche - wohin?“

Dies betrifft zum Beispiel theologische Einstellungen zum Bibelverständnis, zum Opferverständnis Christi, zur Geschlechtergerechtigkeit, zur Demokratie oder zur Antidiskriminierung innerhalb der Kirche. Zum anderen muss sich unsere württembergische Kirche mit dem schleichenden Machtanspruch der Evangelikalen auseinandersetzen.

Die OK kritisiert in diesem Zusammenhang den Abbau von Arbeitsbereichen, mit denen die Evangelische Kirche in der Gesellschaft bisher präsent ist. Dazu zählt der Vorstand die Themen internationale Beziehungen, Nachhaltigkeit und Ökumene an der Akademie in Bad Boll, die mit einem Personalabbau unter den Studienleitenden gestrichen werden sollen. Die Akademie ist weit über die Grenzen der württembergischen Kirche hinaus Symbol für die Präsenz der Kirche in der Gesellschaft und deshalb schon lange ein Dorn im Auge der Evangelikalen. Beim „Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt“, über den die evangelische Kirche Kontakt zu den Betrieben und den Beschäftigten hält, sind 50 Prozent der Stellen vom Abbau bedroht. Auch bei den Evangelischen Frauen (EFW) wurden und werden Stellen gekürzt. Der Bestand ist inzwischen um die Hälfte gestrichen worden. Es werden also gezielt theologische Inhalte eliminiert, die auf einer zeitgemäßen liberalen und aufgeklärten volkskirchlichen Theologie basieren.

Zugleich erhält das evangelikale Projekt „Wachsende Kirche“ mit einem evangelistisch verengten Missionsverständnis personell und finanziell Priorität. Damit wirkt die Kirche nicht in die Gesellschaft hinein. Mit den Themen Glaubenskurse, Gottesdienst und Bekehrung von Erwachsenen, die Ziele dieses Projekts sind, wird man keine Menschen erreichen, die nicht ohnehin schon bekehrt sind.

Bedenklich ist das Verhalten der konservativen Synodalmehrheit insbesondere auch unter demokratischen Gesichtspunkten. Es soll durch Druck und allerlei Angebote eine Einheitlichkeit der Kirche in Fragen der Evangelisation und Mission dargestellt werden, die es weder in der Synode noch in der Kirche gibt. Statt aber in der Synode theologisch zu argumentieren und den Blick auf die ganze Kirche zu bewahren, wird hinter den Kulissen daran gearbeitet, eine seit Jahrzehnten bewährte und in der Gesellschaft hoch anerkannte Arbeit, wie die der Evangelischen Akademie und des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt Stück für Stück abzubauen. Es wird immer offensichtlicher, dass die evangelikale Synodenmehrheit eine durchgreifende Evangelikalisierung kirchlicher Arbeit ins Werk setzen will.

Zudem werden zwei der kommenden Tagungen des evangelischen Kirchenparlaments auf evangelikales Betreiben in einem evangelikalen Tagungszentrum, einer sog. Gemeinschaftsgemeinde, dem Haus Schönblick bei Schwäbisch Gmünd, stattfinden. In diesen Zusammenhang gehört auch, dass in evangelikal geprägten Kirchengemeinden die beträchtlichen Opfer am Heiligen Abend nicht für die kirchlichen Werke (z. B. „Brot für die Welt“) gegeben werden, wie das eigentlich vorgesehen ist, sondern an evangelikale Parallelestrukturen abgeführt werden. Hervorstechendstes Beispiel ist die Stuttgarter Stiftskirche, Symbol der württembergischen Kirche und Kanzel des Reformators Brenz, wo das Opfer an ein evangelikales Missionswerk ging. Damit benutzen die Evangelikalen die Kirche zur Finanzierung ihrer eigenen Organisation.

Die OK fordert auf allen kirchlichen Ebenen eine intensive Diskussion über die theologische Ausrichtung der Württembergischen Kirche und ihrer Arbeit. Man darf die evangelische Kirche nicht denen überlassen, die mit ihrer Mehrheit und einem fast unbegrenzten Geld-Einsatz in eine evangelikale Richtung steuern.
Der Vorstand der OK ruft deshalb die Kirchenmitglieder und die gesellschaftliche Öffentlichkeit dazu auf, sich zu Wort zu melden, damit unsere Kirche sich nicht in innerkirchliche Räume zurückzieht, sondern sich den kirchlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen stellt, damit nahe bei den Menschen ist und so zukunftsfähig bleibt.

Stuttgart, 24. Februar 2009