Amos-Preis Verleihung 2007 an Major Florian Pfaff

 

AMOS-Preis für Zivilcourage in Kirche und Gesellschaft

4. Verleihung am Sonntag Reminiscere, 4. März 2007, 12 Uhr, Erlöserkirche Stuttgart

 

Kathinka Kaden, Major Florian Pfaff, Dr. Erhard EpplerBegrüßung: Kathinka Kaden

Vorsitzende der OFFENEN KIRCHE und der Jury des AMOS-Preises

 Sehr geehrter Herr Pfaff,
sehr geehrter Laudator, Herr Zumach,
sehr geehrter Schirmherr des AMOS-Preises, Herr Dr. Eppler,
sehr geehrte Herr Landtagsvizepräsident Drexler,
Frau Bürgermeisterin Müller-Trimbusch,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Medien,
liebe Gäste, Mitglieder, Freundinnen und Freunde der OFFENEN KIRCHE,
ich freue mich, Sie zur 4. Verleihung des AMOS-Preises der OFFENEN KIRCHE in der Erlöserkirche in Stuttgart begrüßen zu können.

Der AMOS-Preis wird heute an einen Soldaten verliehen - an Sie, Major Florian Pfaff - und zwar zum ersten Mal komplett. Zum ersten Mal wird die Preissumme von 5000 Euro nicht geteilt. Was die Jury im November dazu bewogen hat, so zu entscheiden, wird mit Sicherheit aus der Laudatio und den weiteren Beiträgen hervorgehen.

Soviel sei bereits gesagt: ein mutiges Eintreten gegen jeden Angriffskrieg ist und bleibt vorbildhaft, gerade in diesen Tagen, in denen sogar ein Atomkrieg nicht außerhalb der Denkmöglichkeiten liegt und in denen es wohl Zeit ist, Ross und Reiter zu nennen und sich gegen die entsprechenden Pläne nicht nur im Iran, sondern auch in den USA zu stellen. Wahrscheinlich müssen wir uns da noch weiter emanzipieren, und sogar die Einheitlichkeit in der NATO in Frage stellen.

Beruhigend also, dass es Menschen wie Sie gibt, mit soviel Gewissenhaftigkeit, mit soviel Courage, mit soviel Engagement für das Recht, die Mitwirkung an einem Angriffskrieg zu verweigern. Das ist ein gutes Zeichen für den Zustand unserer Demokratie, meine ich, ein sicheres Merkmal für die Bindekraft unseres Grundgesetzes.

Das beruhigt auch uns in der OFFENEN KIRCHE, die wir Kirchenpolitik in der Demokratie betreiben und uns manches Mal mehr Demokratie – ich glaube: vor allem oft einen rationaleren Diskurs - in der Kirche wünschen. Denn wir sind uns bewusst, dass Menschen auch und vielleicht gerade in Glaubensangelegenheiten irregeführt werden können, dass sie verführbar sind, dass die innere Stimme des Gewissens verstummen kann und Recht zu Unrecht werden kann. Davor ist kein Bereich in einer Gesellschaft gefeit, auch der kirchliche nicht.

Die Fähigkeit, nicht nur anderen, sondern auch sich selbst gegenüber kritisch zu sein, versuchen wir in der Kirche zu stärken. Die OK versucht daher seit über dreißig Jahren in der Evangelischen Kirche in Württemberg deutlich machen: Gewaltenteilung ist nichts Schlimmes, die Kirchenordnung kann noch verbessert werden, Konfliktfähigkeit und Streitkultur entsprechen dem Geist Jesu Christi, die Gemeinden in der Landeskirche benötigen möglichst viele Mitglieder, die sich daher für eine aufgeklärte Theologie und einen toleranten, offenen Pietismus einsetzen. Dies zu sagen und hinzuweisen auf das weite Spektrum des Glaubens, auf die Möglichkeit unterschiedlicher Frömmigkeitsstile und auf bedeutende Unterschiede in der Theologie gerade auch im kirchlichen Bereich, ist heute dringend notwendig angesichts des weit verbreiteten Neo - Evangelikalismus und des Fundamentalismus im Christentum, um das deutlich im württembergischen Kirchenwahljahr 2007 zu sagen.

Der Prophet AMOS hat sich in seiner Zeit gegen Kriegsverbrechen, gegen religiöse und soziale Verbrechen gewehrt und eindringlich zu einer Verhaltensänderung aufgerufen. Dabei hat er den Konflikt mit den damaligen politischen und religiösen Machthabern nicht gescheut.  Ich zitiere:

„So spricht der Herr: Ich will sie nicht schonen, weil sie die Unschuldigen für Geld und die Armen für ein paar Schuhe verkaufen. Sie treten den Kopf der Armen in den Staub und drängen die Elenden vom Wege. Sohn und Vater gehen zu demselben Mädchen, um meinen heiligen Namen zu entheiligen. Und bei allen Altären schlemmen sie auf den gepfändeten Kleidern und trinken Wein vom Gelde der Bestraften im Hause ihres Gottes“ (Amos 2, 6 - 8)
Oder: „Ihr fetten Kühe, die ihr auf dem Berge Samarias seid und den Geringen Gewalt antut und schindet die Armen und sprecht zu euren Herren: Bringt her, lasst uns saufen! Gott hat geschworen bei seiner Heiligkeit: Siehe, es kommt die Zeit über euch, dass man euch herausziehen wird mit Angeln und, was von euch übrig bleibt, mit Fischhaken. Und ihr werdet zu den Mauerlücken hinaus müssen, eine jede vor sich hin, und zum Hermon weggeschleppt werden, spricht der Herr.“ (Amos 4, 1 - 3).
Oder: „Ihr wandelt das Recht in Gift und die Frucht der Gerechtigkeit in Wermut“ (Amos 6, 12)

Amos findet kräftige, scharfe, lebendige Worte, und noch mehr: Er scheut nicht davor zurück, Gott als kriegerisch und gewalttätig zu beschreiben, um der prophetischen Botschaft Gehör zu verschaffen. Sprachmächtig erfüllt er seinen Auftrag, die Reichen und Mächtigen mit ihrer Habgier und ihrem Machthunger zu konfrontieren und für die Armen und Benachteiligten das Wort zu ergreifen.

Der Missverständlichkeit solcher Worte muss ins Auge gesehen werden. Genauso aber geht es darum, ihre Tiefe zu erfassen. Was macht sie so wirkmächtig? Um nur kurz anzudeuten, was sich unter psychologischen Gesichtspunkten dazu sagen ließe: Dem eigenen Ärger, seiner Wut so Ausdruck geben zu können, Luft machen zu können, das tut gut. Solche Worte schaffen Bahnen und Kanäle, durch die sich löst und befreit, was angestaut ist an Ärger, Enttäuschung, Verzweiflung und Angst. Wie dürftig ist dagegen der Versuch, dasselbe mit Waffen probieren zu wollen.

In den Hinsichten,
- mit Ärger und Aggression angemessen umzugehen,
- konfliktfähig zu werden,
- Angst vor Widerspruch zu verlieren,
- Ungerechtigkeit deutlich zu benennen,
- und das alles, ohne sich selbst in Mord und Totschlag zu verstricken,

dazu können wir von dem wortgewaltigen Propheten und der Geschichte, wie seine Worte verstanden worden sind, viel lernen. Wir stellen uns daher bewusst in die Tradition des AMOS, auch heute und hier wieder mit dieser Preisverleihung.

Laudatio: Andreas Zumach

Diplomatischer Korrespondent der taz und anderer Medien bei der UNO in Genf

Sehr geehrter Preisträger Florian Pfaff, sehr geehrte Anwesende, liebe Schwestern und Brüder.

Ich freue mich sehr, heute hier so viele Menschen zu sehen, die ich zum Teil bereits seit fast 30 Jahren kenne aus der Friedensarbeit innerhalb und außerhalb der Evangelischen Kirche. Einige sind dabei, die auch am 10. Oktober 1981 bei der großen Friedenskundgebung auf der Bonner Hofgartenwiese waren, wo wir gemeinsam gegen „Geist, Logik und Politik“ der atomaren Abschreckung demonstriert haben. Und ich freue mich ganz besonders, dass der wichtigste Redner jener Bonner Kundgebung – wichtig sowohl mit Blick auf die innerkirchliche Friedensdebatte wie mit Blick auf die damalige Diskussion im politischen Raum – heute anwesend ist – Erhard Eppler, der Schirmherr des Amos-Preises. Erhard Eppler hat innerhalb der damals regierenden SPD zunächst aus einer Minderheitenposition heraus den Widerspruch zum NATO-Doppelbeschluss und zur Nachrüstung mit Atomraketen formuliert und angeführt, und er war in dieser Frage der wichtigste Kontrahent zu Bundeskanzler Helmut Schmidt.

Erhard Eppler hat sehr wichtige Spuren gelegt für das Engagement von Christinnen und Christen für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung. Ich erinnere unter anderem an sein Buch „Wege aus der Gefahr“ und seine Unterscheidung zwischen „qualitativem und quantitativem Wachstum – die im Rückblick geradezu revolutionär erscheint.

Weil Sie heute alle hier sind, möchte ich gerne etwas in eigener Sache sagen – oder besser: in unserer eigenen Sache, wenn Sie mir diese Vereinnahmung gestatten, bevor ich zum eigentlichen Anlass dieses Tages und zum Preisträger komme. Erhard Eppler ist vor einigen Monaten 80 Jahre alt geworden, wozu ich ihm von hier aus herzlich gratuliere. Bei einer öffentlichen Veranstaltung zu Eepplers 80. Geburtstag am 31. Januar in Berlin hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Berliner Bischof Wolfgang Huber, die Laudatio gehalten. Huber hat es für richtig und notwendig gehalten, sich ausgerechnet bei dieser Geburtstagsfeier für Erhard Eppler öffentlich von seiner früheren Kritik am NATO-Doppelbechluss und der atomaren Nachrüstung der 80er Jahre zu distanzieren. Bischof Huber hat dies getan, indem er in seiner Laudatio aus einem Brief zitiert hat, den er Anfang 2004 – nur wenige Monate nach seiner Wahl zum EKD-Ratsvorsitzenden im November 2003 – an Altbundeskanzler Helmut Schmidt zu dessen 85 Geburtstag geschrieben hatte. Ich zitiere die entsprechende Passsage aus Hubers Laudatio auf Eppler vom 31. Januar:

„Dass Erhard Eppler in den frühen achtziger Jahren die Kritik am Doppelbeschluss der NATO anführte, ist ebenso wenig zu leugnen wie die Tatsache, dass dieser Doppelbeschluss im Rückblick für die Vorbereitung der europäischen Wende sein Gutes hatte. Ich selbst habe das aus Anlass des 85. Geburtstags von Helmut Schmidt in einem Brief an ihn – leicht fiel mir das nicht – folgendermaßen formuliert: Als Sie Ende der Siebzigerjahre den NATO-Doppelbeschluss anregten, gehörte ich selber zu denen, die meinten, der Sicherheit der Bundesrepublik und Europas und dem Weltfrieden sei besser durch einen Verzicht auf die Nachrüstung mit Mittelstreckenraketen gedient. Im Rückblick kann man nicht verkennen, welchen Beitrag der NATO-Doppelbeschluss zur Entwicklung der Achtzigerjahre geleistet hat, an deren Ende die Teilung Deutschlands und Europas überwunden werden konnte.

Im Rückblick urteilen wir über die Geschichte anders, als wir sie im Vorblick antizipieren. Darüber, wie die Entwicklung ohne den NATO-Doppelbeschluss verlaufen wäre, wissen wir nichts. Dass er daran mitgewirkt hat, in Europa einen Frieden in Freiheit zu sichern, wussten nicht einmal die, die sich so vehement für ihn einsetzten. Die einen wie die anderen haben zu Selbstgerechtigkeit keinen Grund. Dass es anders kam, als wir damals dachten, gehört zu den größten Glücksmomenten unseres Lebens.“ Ich hoffe sehr, dass diese Einschätzung des Ratsvorsitzenden der EKD nicht das letzte Wort in dieser Sache ist, und dass Bischof Huber aus unserer Kirche kräftigen Widerspruch erfährt – auch mit Hinblick auf die neue Friedensdenkschrift der EKD, die derzeit erarbeitet wird.

Und nun komme ich zum Anlass der heutigen Veranstaltung:

Es ist mir eine große Freude, heute hier die Laudatio auf Major Florian Pfaff, den diesjährigen Träger des Amos-Preises halten zu dürfen. Und ich bedanke mich bei den Trägerinnen und Trägern dieses Preises, für die ehrenvolle Aufgabe, diese Laudatio zu halten.

Aber eigentlich sollte diese Veranstaltung überflüssig sein. Denn was hat der Preisträger überhaupt Preiswürdiges getan? Major Pfaff, seit über 30 Jahren „Staatsbürger in Uniform“ in einer parlamentarischen Demokratie, hat eine Gewissensentscheidung getroffen, eine „an den Kategorien von `Gut und Böse` orientierte Gewissensentscheidung “, wie es im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2005 heißt. Major Pfaff hat sich an das durch die UNO-Charta definierte Völkerrecht gehalten, an die deutsche Verfassung und an das Soldatengesetz; Major Pfaff hat die ausdrückliche, aber skandalös rechtswidrige Aufforderung seiner militärischen Vorgesetzten, sich an dem völkerrechtlichen Verbrechen des Irak-Krieges von 2003 zu beteiligen, nicht befolgt. Eigentlich ist das Verhalten von Florian Pfaff eine Selbstverständlichkeit; eine Selbstverständlichkeit, die die Regel sein sollte unter den 240 000 deutschen Staatsbürgern in Uniform eine Selbstverständlichkeit, die eigentlich keiner besonderen Erwähnung bedürfte, geschweige denn eines Preises.

Doch leider ist das Verhalten von Pfaff eine Ausnahme, eine allzu seltene Ausnahme in der heutigen Bundeswehr. Als Soldat nicht gegen das Völkerrecht, die deutsche Verfassung und das Soldatengesetz zu verstoßen, erfordert heutzutage besonderen Mut und Beharrlichkeit. Ich bin daher sehr froh darüber, dass die Offene Kirche Württemberg Major Pfaff für seine Zivilcourage heute mit dem Amos-Preis auszeichnet, und dass er im Dezember letzten Jahres bereits die Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga der Menschenrechte erhalten hat. Diese beiden Auszeichungen sind hoffentlich ein kleiner Ausgleich für die Schikanen und die Diskriminierung, denen der Preisträger weiterhin ausgesetzt ist - trotz und über anderthalb Jahre nach dem Urteil, mit dem ihm das Bundesverwaltungsgericht in sämtlichen Streitpunkten mit seinen militärischen Vorgesetzen vollumfänglich Recht gegeben hat. Dieses Urteil ist über den konkreten Streitfall Pfaff hinaus von epochaler Bedeutung:

  1. Das Urteil beschränkt die Zulässigkeit für den Auslandseinsatz der Bundeswehr und für militärische Gewaltanwendung strikt und eindeutig auf die beiden in der UNO-Charta vorgesehenen Fälle: Erstens die individuelle oder kollektive Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Charta. Und zweitens die vom UNO-Sicherheitsrat ausdrücklich mandatierte Anwendung militärischer Mittel bei einem „Bruch oder bei der Bedrohung des Friedens und der internationalen Sicherheit“ gemäß Kapitel 7 der Charta. Wörtlich heißt es in dem Urteil:

    „Ein Staat,der sich – aus welchen Gründen auch immer – ohne einen solchen Rechtfertigungsgrund über das völkerrechtliche Gewaltverbot der UN-Charta hinwegsetzt und zur militärischen Gewalt greift, handelt völkerrechtswidrig. Er begeht eine militärische Aggression.“ Damit ist der anglo-amerikansiche Irakkrieg von 2003 eindeutig als völkerrechtwidriger Angriffskrieg klassifiziert.

  2. Mit Blick auf die umfangreichen Unterstützungsleistungen der Bundesrepublik Deutschland für diesen völkerrechtswidrigen Irakkrieg – unter anderem in Form von Überflug- und Nutzungsrechten oder der Bewachung amerikanischer Kasernen - heißt es in dem Urteil unmissverständlich „Eine Beihilfe zu einem völkerrechtlichen Delikt ist selbst ein völkerrechtliches Delikt.“ Die Rot-Grüne Bundesregierung hatte seinerzeit trotz all ihrer verbalen Kritik an dem Irakkrieg sämtliche Wünsche der Bush-Administration zur Beihilfe für diesen Krieg erfüllt. Rot-Grüne Politiker – darunter gestandene Juristen, wie der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz - rechtfertigten diese Beihilfe zum Krieg damals mit der Behauptung, bilaterale Abkommmen mit den USA sowie das NATO-Truppenstatut ließen eine Verweigerung dieser Behilfe zum Irakkrieg rechtlich nicht zu. Diese Zwecklüge wiesen die Bundesverwaltungsrichter eindeutig zurück mit dem klaren Hinweis, dass die Beachtung des Völkerrechts und der deutschen Verfassung im Zweifelsfall immer Vorrang haben vor der Erfüllung bilateraler oder multilateraler Abkommen mit anderen Staaten.

  3. Mit dem höchstrichterlichen Urteil wurde der Ermessensspielraum für Soldaten erheblich erweitert. Wenn ein Soldat auch nur Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer militärischen Intervention hat, und wenn er in einem solchen Fall glaubwürdig einen Gewissenskonflikt darlegen kann, muss er Befehlen nicht gehorchen, durch deren Ausführung er diese militärische Intervention unterstützen würde.

Dieses epochale Urteil eines höchsten Gerichtes der Bundesrepublik Deutschland gehörte eigentlich als Pflichtstoff in die Grundausbildung eines jeden deutschen Soldaten. Stattdessen wird der Leipziger Richterspruch bis heute von der militärischen Führung und vom Verteidigungsministerium gegenüber den Soldaten unterschlagen.“ In der gesamten Bundeswehr herrscht hinsichtlich der Causa Pfaff ein geradezu ohrenbetäubendes Schweigen“, berichtete Jürgen Rose, selber Oberstleutnat der Bundeswehr, in seiner Laudatio auf Major Pfaff bei der Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille im letzten Dezember.

Totschweigen, Aussitzen und den Soldaten Pfaff selbst mundtot machen, laute die Devise in der Bundeswehr. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts stünde Major Pfaff eigentlich eine Kompensation zu für die rechtswidrigen disziplinarischen Maßnahmen, die seine Vorgesetzten nach seiner Dienstverweigerung während des Irakkrieges im Jahr 2003 gegen ihn ergriffen hatten. Doch stattdessen wird Major Pfaff die von ihm beantragte sogenannte „laufbahnrechtliche Schadlosstellung“ mit der absurden Begründung verweigert, er selbst hätte ja den Anlass gegeben für die Ermittlungs- und Gerichtsverfahren. Tatsächlich liegt der Ursprung für die juristischen Auseinandersetzungen zunächst vor dem Truppendienstgericht Nord in Münster und dann vor dem Bundesverwaltungsgericht in den kriminellen Unterstützungshandlungen der damaligen Rot-Grünen Regierung und der Bundeswehrführung für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak.

Skandalös sind auch die Begründungen, mit denen das Personalamt der Bundeswehr Major Pfaff die ihm längst zustehende Beförderung verweigert. Es bestünden „begründete Zweifel an Pfaffs uneingeschränkter persönlicher Eignung und Befähigung“, einem höheren Dienstgrad gerecht zu werden. Und zweitens sei Major Pfaff aus den vom Bundesverwaltungsgericht anerkannten Gewissensgründen, mit denen er eine Unterstützung des völkerrechtswidrigen Irakkriegs verweigert hatte, nur „eingeschränkt verwendungsfähig“. Im Klartext heißt das: Wer als Soldat seinem Gewissen folgt und sich an Völkerecht, Verfassung und das Soldatengesetz hält, ist in der Bundeswehr fehl am Platz. Gefragt ist Kadavergehorsam.

Dieses Verhalten der militärischen Führung, die vom Verteidigungsministerium abgesegnet wurde und politisch zu verantworten ist, spricht all öffentlichen Äußerungen Hohn, mit denen etwa der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhahn, das Prinzip der „Inneren Führung“ betont und behauptet, er wünsche sich den mündigen „Staatsbürger in Uniform“. Major Pfaff hingegen hat diese Prinzipien ernst genommen und hat mit seiner Zivilcourage auch zur Stärkung unserer Demokratie beigetragen. Dafür sollte Pfaff - anstatt weiterhin Opfer von Schikanen und Diskriminierung zu sein - über den Amos-Preis und die Ossietzky-Medaille hinaus vom Bundespräsidenten mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet werden. Doch das ist leider sehr unwahrscheinlich. Denn wo es um die Beteiligung an Kriegen und um Auslandseinsätze deutscher Soldaten geht, haben deutsche Regierungen und Politiker - parteiübergreifend von CDU/CSU bis zu den Grünen - in den letzten acht Jahren nationales und internationales Recht und Gesetz immer häufiger interpretatorisch gedehnt, gebeugt und gebrochen.

Und die dritte Gewalt - insbesondere die nationale Justiz, aber auch die internationale Justiz - haben daran mitgewirkt. Mit Ausnahme des Bundesverwaltungsgerichts im Fall Pfaff haben alle nationalen und internationalen Gerichte sowie ihre Staatsanwälte und Ankläger, die seit Mitte der 90er Jahre mit ähnlichen Fragen befasst waren, die Dehnung, Beugung und den Bruch deutschen und internationalen Rechts zum Teil erleichtert, für rechtens erklärt, nicht korrigiert und nicht geahndet.

Die Erleichterung durch die Justiz begann mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 1994, mit dem der Spielraum für den Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland erheblich erweitert wurde. Auch durch die problematischen Interpretationsspielräume, die das Bundesverfassungsgericht damals gelassen hatte zu den Fragen, was „Verteidigung“ und was ein legitimer „militärischer Einsatz“ ist, und ob die NATO ein kollektives Sicherheitssystem ist wie die UNO. Doch diese Interpretationsspielräume sind durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes in Sachen Pfaff endlich eindeutig beseitigt worden. Die Bundesverwaltungsrichter definierten einen Verteidigungsbegriff für die Bundeswehr, der alles erlaubt, was die UN-Charta umfasst, aber eben nicht darüber hinaus geht. Wörtlich heißt es in dem Urteil: „Artikel 51 der UNO-Charta gewährleistet und begrenzt zugleich für jeden Staat das Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung gegen einen bewaffneten Angriff.“ „Der Einsatz der Bundeswehr zur Verteidigung“ ist stets nur erlaubt als Abwehr gegen einen bewaffneten Angriff (armed attack, nach Artikel 51 der UN-Charta), jedoch nicht nur Verfolgung, Durchsetzung und Sicherung ökonomischer und politischer Interessen.“

Der erste konkrete Sündenfall eines Völkerrechtsbruchs war dann die Beteiligung deutscher Streitkräfte am völkerrechtswidrigen Luftkrieg der NATO gegen Serbien/Montenegro im Frühjahr 1999 ohne Mandat des UNO-Sicherheitsrates. Bis heute wird dieser Völkerrechtsbruch von Politikern der damaligen Rot-Grünen Regierungsparteien wie der damaligen Oppositionsparteien CDU/CSU und FDP mit der Behauptung einer völkerrechtlichen Notlage gerechtfertigt. Angeblich habe es damals wegen einer russischen und chinesischen Vetodrohung im UNO-Sicherheitsrat keine Möglichkeit gegeben für eine UNO-Resolution mit einem Mandat für verstärkten Sanktionsdruck sowie möglicherweise auch militärische Zwangsmaßnahmen gegen das Milosevic-Regime, um dessen schwere Menschenrechtsverletzungen gegen die Kosovo-Albaner zu stoppen.

Diese Behauptung einer völkerrechtlichen Notlage wegen einer angeblichen russischen und chinesischen Vetodrohung im UNO-Sicherheitsrat ist nachweislich und nachprüfbar falsch. Auch wäre eine Deeskalation der Spannungen und Gewalttaten im Kosovo möglich gewesen, wenn die damals vereinbarte Stationierung von 2000 Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) im Kosovo schnell und in vollem Umfang erfolgt und nicht durch vor allem die USA hintertreiben worden wäre. Zudem wurden die in der Tat schweren Menschenrechtsverstöße serbischer Soldaten, Polizisten und Paramilitärs gegen die Kosovo-Albaner seinerzeit von Mitgliedern der damaligen Bundesregierung propagandistisch maßloss übertrieben und in einen Vergleichszusammenhang mit Auschwitz gebracht. Und schließlich wurden bei dem vom Westen und von Russland vermittelten Verhandlungen zwischen Serben und Albanern im französischen Rambouillet im Februar 1999 eben nicht „alle diplomatischen Möglichkeiten ausgeschöpft“, wie der damalige Bundesaußenminister Joseph Fischer stets - wider eigenes Wissen - behauptet hat.

Und weil das alles so war, konnte und kann ich bis heute in diesem Punkt auch Erhard Eppler nicht zustimmen, der damals auf dem Sonderparteitag der SPD am 12. April 1999 in Bonn erklärte, das Handeln der Rot-Grünen – also ihre Beteiligung am Luftkrieg der NATO – sei zwar tragisch gewesen, aber es habe dazu beitragen können, dass wir eine bißchen weniger schuldig geworden wären, als wenn wir nichts getan hätten.

Der zweite Fall eines völkerrechtswidrigen Einsatzes deutscher Soldaten ist die – ohne UNO-Mandat – erfolgte Entsendung deutscher Marineeinheiten an das Horn von Afrika im Rahmen der von den USA geführten Mission „Enduring Freedom“. Laut offiziellem Auftrag dient diese Mission der Bekämpfung des Terrorismus. Die deutschen Marinesoldaten sollen Schiffe durchsuchen auf Waffen, Drogen und mutmaßliche Terroristen. Tatsächlich leisteten und leisten die deutschen Marineschiffe weiterhin aktiven Begleitschutz für die US-amerikanischen und britischen Kriegsschiffe, die im Irakkrieg vom Frühjahr 2003 eingesetzt wurden und heute immer noch eingesetzt werden zum An- und Abstransport von Soldaten und Waffen für die anhaltende illegale Besatzung Iraks. Diese bis heute anhaltende völkerrechtswidrige Beihilfe für den Krieg und die Besatzung im Irak wird trotz der unmissverständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Fall Pfaff von deutschen Politikern - wie zum Beispiel dem verteidigungspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, weiterhin mit angeblich bestehenden bilateralen Bündnisverpflichtungen gegenüber den NATO-Partnern USA und Großbritannien begründet.

Der dritte völkerrechtswidrige Einsatz deutscher Soldaten war der Kriegseinsatz des „Kommandos Spezialkräfte“ (KSK) der Bundeswehr in Afghanistan ebenfalls im Rahmen der US-geführten Mission „Enduring Freedom“. Ich sage „war“, obwohl wir auf Grund der Geheimniskrämerei der Bundesregierung über diesen Einsatz und wegen ihrer völlig unzureichenden und widersprüchlichen Informationspolitik selbst gegenüber dem Parlament nicht sicher sein können, ob dieser Kriegseinsatz der KSK nicht doch noch andauert.

Und damit komme ich abschließend zu dem völkerrechtswidrigen Einsatz deutscher Soldaten, der unmittelbar bevorsteht: Am Donnerstag dieser Woche wird der Deutsche Bundestag mit der Mehrheit zumindest der beiden Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD die vom Bundeskabinett bereits beschlossene Entsendung von Tornado-Flugzeugen nach Afghanistan absegnen. Auch wenn diese Tornados – zunächst zumindest – nicht selber schießen, sondern nur Aufklärungserkenntnisse und Zieldaten an die Kampfflugzeuge anderer NATO-Verbände weiterleiten sollen: Klar ist, die Bundesrepublik Deutschland und ihre Streitkräfte werden mit diesem Tornado-Einsatz aktive Beihilfe leisten für einen völkerrechtswidrigen Krieg. Derartige Beihilfe ist ebenfalls völkerrechtswidrig, wie das Bundesverswaltungsgericht im Pfaff-Urteil eindeutig festgestellt hat.

Und einmal ganz abgesehen von der Völkerrechtswidrigkeit dieses Krieges: Der Einsatz der deutschen Tornados oder selbst eine Entsendung deutscher Boden-Kampftruppen in den Süden Afghanistans – die zumindest einige NATO-Partner demnächst wieder verstärkt von Berlin fordern dürften – werden nicht verhindern können, dass die NATO diesen Krieg in Afghanistan verliert. Stattdessen wird der Kriegseinsatz der deutschen Tornados den – richtigen und wichtigen – Einsatz der Bundeswehr bei der Sicherung von Wiederaufbau- und Stabilisierungsmaßnahmen im Norden Afghanistans gefährden und möglicherweise eines Tages ganz unmöglich machen.

Doch trotz des eindeutigen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts im Fall Pfaff sind die Bundesregierung, die Führung der Bundeswehr und eine Mehrheit der Bundestagsabgeordneten zum erneuten Bruch des Völkerrechts und des Grundgesetzes entschlossen. Daher ruhen alle verbleibenden Hoffnungen auf den Soldaten, die im Zusammenhang mit dem geplanten Tornado-Einsatz nach Afghanistan geschickt werden sollen, sowie auf jenen Soldaten, die hier in Deutschland an der Vorbereitung und Durchführung dieses Einsatzes beteiligt sind – und sei es auch an einer vermeintlich noch so unwichtigen Stelle:

„Ein einzelner Soldat kann einen Angriffskrieg nicht verhindern“, hat Major Pfaff in seiner Dankesrede für die Carl-von-Ossietzky-Medaille gesagt. Ganz kann ich diesem Satz nicht zustimmen. Denn es sind immer konkrete einzelne Menschen, die Angriffskriege politisch beschließen. Es sind immer konkrete einzelne Menschen, die die militärischen Angriffsbefehle geben. Und es sind immer konkrete einzelne Menschen, die den Angriffskrieg dann operativ ausführen. Auf jeder dieser drei Ebenen ist jede einzelne Verweigerung wichtig. Und mehrere Einzelne können einen Angriffskrieg durchaus verhindern oder stoppen.

Daher rufe ich von dieser Stelle alle Soldaten, die bei dem geplanten Tornado-Einsatz der Bundeswehr zum Einsatz kommen sollen - sei es vor Ort in Afghanistan - oder durch Unterstützungsleistungen hier in Deutschland und anderen Ländern:
Nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihrem Kameraden Major Pfaff!
Verweigern Sie diesen völkerrechts- und grundgesetzwidrigen Kriegseinsatz und jegliche Beteiligung daran! Berufen Sie sich gegenüber Ihren Vorgesetzten ausdrücklich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Fall Pfaff!

Und ganz wichtig: Machen Sie – anders als die Tornado-Piloten, die 1999 klammheimlich eine Teilnahme am völkerrechtswidrigen Luftkrieg gegen Serbien verweigerten und die darauf gegen sie verhängten Sanktionen widerspruchslos in Kauf nahmen - Ihre Weigerung öffentlich! Denn dann können wir Ihnen unsere Solidarität und tatkräftige Unterstützung zukommen lassen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Preisverleihung an Florian Pfaff

durch Kathinka Kaden

Ich freue mich, den AMOS-Preis der OFFENEN KIRCHE heute Florian Pfaff verleihen zu können.

Die OFFENE KIRCHE, Evangelische Vereinigung in Württemberg, verleiht den 4. AMOS-Preis für Zivilcourage in Kirche und Gesellschaft an

Major Florian Pfaff, München

Die OFFENE KIRCHE würdigt damit seinen Entschluss und Mut, den Gehorsam zur Mitwirkung am Irak-Krieg aus Gewissensgründen zu verweigern, und seine Beharrlichkeit, massivem Druck zu widerstehen.

Dankesrede: Florian Pfaff

Major, München, Preisträger

Sehr geehrte Frau Kathinka Kaden, sehr geehrter Herr Andreas Zumach, meine sehr geehrten Damen und Herren,
besten Dank für die Auszeichnung mit dem AMOS-Preis, die Laudatio und die Gelegenheit, mit meinem Dank ein paar Gedanken der Öffentlichkeit vortragen zu können, um hoffentlich noch viele Menschen zu motivieren, sich noch viel mehr für das Recht und die Moral einzusetzen.

Zu meiner derzeitigen Situation, die Andreas Zumach soeben sehr umfassend dargelegt hat, möchte ich nur noch einmal betonen, dass ich selbst innerhalb der Bundeswehr, auch bei meinen derzeitigen Vorgesetzten, sehr viel Anerkennung und Zuspruch finde. Das ist schön. Es besteht also Hoffnung, dass die Zustände nicht so entsetzlich bleiben, wie sie zur Zeit leider sind.

Jeder fragt sich natürlich, wie es denn überhaupt so weit kommen konnte. Woran liegt das? Ich will nun wagen, eine Erklärung zu liefern. Nur wenn man eine plausible Erklärung hat, macht es schließlich Sinn, daran zu gehen, die Ursachen zu bekämpfen. Es ist klar, dass ich das nur versuchen kann, weder die absolute Wahrheit gepachtet habe, noch in ca. einer viertel Stunde diesen Gedanken allumfassend darlegen kann. Aber: Etwas unternehmen, tut Not.

Eine Bedingung ist damit eigentlich schon genannt: Man muss die wahren Gründe überhaupt erst einmal suchen, darf sich nicht mit der offiziellen Propaganda begnügen. Ist der wahre Grund aber überhaupt erkennbar? Gibt es eine Haupt-Ursache? In diesem Kreis, an diesem Ort ist es mir sicher erlaubt, dass ich auch meinen Glauben zu Rate ziehe, folglich eine Erklärung liefere, die bis in den Bereich der Religion hinein geht. Rein rational ist das, was wir erleben, meiner Meinung nach ohnehin nicht mehr zu fassen. Auf die wissenschaftstheoretische, die übergeordnete Problematik will ich nicht eingehen. Das liefe auf das Theodizee-Problem hinaus, würde den Rahmen sprengen. Schließlich will ich einen Lösungsweg aufzeigen, den ich für begehbar halte, und zum Beschreiten dieses Weges, anstatt zu weiterer Gewalt, anstiften.

Das Phänomen bzw. Problem der grassierenden Amoralie, die sich wie eine Pandemie ausgebreitet, vor allem die Machteliten befallen hat, lässt sich im Grunde einfach beschreiben: Wir erleben spätestens seit dem Irak-Krieg, z.T. auch in unserem Land, die Pervertierung von Recht und Moral. Völlig abstruse, früher bei uns für völlig undenkbar gehaltene Handlungen gelten schon fast als normal. Macht geht vor Recht, brutalste Gewalt, sogar Massentötungen ersetzen die frühere Friedens- und Entspannungspolitik. Niemand spricht mehr von einer zwei-Säulen-Strategie der NATO, also auch von Deeskalation. Ich höre nur noch „Kampf gegen den Terror”. Gemeint ist natürlich nur der Terror der sog. Bösen, nie der selbst provozierte, im Fall Saddams oder der Taliban der zuvor ja selbst geförderte Terror, wie der Widerstand gegen die Besatzer heute stets auch genannt wird. Der der Angreifer, der viel tödlichere eigene Terror, der im Irak bereits viel mehr als eine halbe Million Opfer an Menschenleben verursacht hat, geht sozusagen kollateral in Ordnung.

Das ist natürlich nicht in Ordnung. Geschürte, z.T. völlig falsche propagandistische Feindbilder ersetzen Diplomatie und Friedensliebe. Wir erfinden sexy Kriegsargumente, anstatt Wahrheit als höheren Wert anzuerkennen, brechen alle heiligen Eide und setzen unser Land immer mehr einer selbst herbeigeführten terroristischen Bedrohung aus (siehe Madrid, London usw.). Wir schicken Tornados als Scout für bunkerbrechende Bomben, statt humanitäre Hilfe, Gebete und den Gedanken der Feindesliebe - all dies geschieht immer mehr, in immer mehr Ländern, zumindest in einem erstaunlichen Missverhältnis.

Ich rede natürlich nicht von der Masse der Bevölkerung, von einer Quote irgendwo zwischen 90 und 99%, die solche Kriege, Terror, Gegenterror, Folterflüge und Desinformation nicht will, die ja Gegner dieses unhaltbaren Gewaltexzesses sind. Das hat die internationale Politik aber nicht davon abgehalten, diesen Kurs zu setzen und Gas zu geben - Giftgas bzw. weissen Phosphor. Der einfache Bürger, Humanist, Pazifist, der solche Zustände haarsträubend und entsetzlich findet, scheint als Einzelner machtlos dagegen, droht entmutigt zu werden. War der Protest der Millionen, die zu Beginn des Irak-Kriegs auf die Straße gingen (oft nackt), umsonst? Lohnt es sich denn, für den Frieden einzutreten? Kann das gelingen?

Ich habe mir vorgenommen, es zu versuchen, den mir möglichen Beitrag zu leisten. Friedenserklärungen sind besser als Kriegserklärungen. Die offene Kirche hat mich heute moralisch wie finanziell dafür geehrt und gestärkt. Dafür danke ich Ihnen. Leute wie Sie sind es, die ich gerne verteidige. Es sind, wie gesagt, sehr viele, auch wenn ich nicht immer von allen so unmittelbar, so offen und massiv unterstützt werde.

Es gibt also nicht nur Unmoral und Verbrechen, sondern sozusagen zwei Welten - Gut und Böse. Blickt man mit dem Herzen tiefer hinein, erkennt man sehr schnell: Die Trennung verläuft nicht nur so, wie die Propaganda nahelegen möchte, zwischen West und Ost, dem Reich des Guten, das Waffen exportieren, Kriege führen, sogar foltern darf, auf der einen und dem Reich des Bösen, das dies zwar nicht darf, zumindest eines Tages aber im gleichen Umfang tun könnte, auf der anderen Seite. Leider gibt es innerhalb und ausserhalb der Bundeswehr bewusst Rhetorik genau in diese Richtung, anstatt in Richtung Versöhnung. Aber völlig falsche Beschuldigungen und vorsätzlich primitive Pauschalierungen dienen nur dem Kampf, sind nur gezielte Volksverhetzung. Hinterfragen wir die Kriegslügen. Die Trennung zwischen Gut und Böse verläuft in Wahrheit auch nicht nur zwischen dem alten und dem neuen Europa. Sie verläuft durch alle Kontinente, alle Länder, Dörfer, Häuser, ja sogar mitten durch die Köpfe der einzelnen Menschen. Viele wissen gar nicht mehr, was sie denken sollen. Gut und Böse sind keine geographischen Begriffe, kein Kriterium nach Rasse oder Religion, wie die falschen Propheten aller Couleur, die Fundamentalisten, predigen. Jeder Mensch einer beliebigen Religion, Region, Profession usw. muss sich, wenn er den Frieden wirklich will, statt dessen täglich selbst fragen, woran er nicht mehr mitwirken und was er dagegen tun kann. Das gilt besonders für diejenigen, die glauben, sie dürften ungestraft foltern und töten. Der Kampf der Kulturen findet also auch in diesem Moment statt, aber nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb der Kulturen. Ein friedfertiger Amerikaner wird gegen mich und meine Worte so wenig haben wie ein Araber. Ich werde umgekehrt solche Menschen nicht bekämpfen, die mich nicht unmittelbar bedrohen. Ich habe allerdings so gut wie nichts gemein mit den Pharisäern, die nur für ihre Macht das Recht und die Moral zerstören, und noch weniger mit ihren feigen Propagandisten, die glauben, nichts zu riskieren, die in der Tat oft sogar so sehr auf ihren Vorteil bedacht sind, dass sie die notwendige Diskussion verteufeln, sich zumindest entziehen.

Es ist hierzulande übrigens kaum bekannt, dass von den USA Gewalt selbst zum Zweck umfunktioniert, vom Unfall inzwischen zur Strategie erhoben wurde. Wer die Berichte, wonach die Kämpfer in ihren Zielgebieten quasi auf alles schießen, was sich bewegt, nicht entsprechend deuten kann oder gar nicht glaubt, der wird Belege dafür in unseren Medien zwar selten finden, an den offiziellen Worten des sogenannten Verteidigungsministers der USA seinen Militärs gegenüber, also der offiziell erklärten Strategie, die inzwischen bekannt wurde, aber nicht vorbeikommen. Leider hat die NATO dafür nach aussen hin, für die friedliebende Bevölkerung, einen Tarnbegriff, nämlich „Kollateralschaden” geschaffen. Die Doktrin dahinter wird rhetorisch kaschiert.

Die unverhohlene, vorsätzliche und übermäßige Gewalt, die gezielt auch gegen potentielle Sympathisanten, nicht nur im Irrtum, angewandt wird, sieht man nicht nur an den Folterpraktiken, sie hat insgesamt einen Namen. Im amerikanischen Klartext heisst sie „Shock and Awe”, also sinngemäß „Furcht und Schrecken”. Feuerkraft im Überfluss und die Bereitschaft der Soldaten auch zu illegaler Gewalt werden ausgenutzt, um den Feind von Gegenwehr abzuhalten bzw. Widerstand sofort zu brechen. „Force”, „Scope” und „Scale” sollten wie bisher in keinem Krieg maximiert werden. Auf Deutsch: Die Gewalt wird bewusst zur Einschüchterung entfacht.

Das wäre natürlich selbst dann nicht rechtens, wenn es sich um Vergeltung handeln würde. Angst und Schrecken sind, zumal wenn es um unbegründete Drohungen und Folter geht, nichts anderes als Terror. Anstatt „Shock and Awe” kann man in diesem Fall auch „Überziehen mit Terror” sagen. Ich nenne Leute, die „Shock and Awe” gegen ein Volk sozusagen amtlich fordern und dann tatsächlich wie z.B. in Falludscha unterschiedslos Unschuldige massakrieren, öffentlich nicht Friedenspolitiker, sondern „Terroristen”. Mit ihnen und ihren Helfershelfern will ich nichts zu tun haben. Sollen diejenigen Beihilfe leisten, die noch an ihre Lügen glauben.

Recht und Moral sind offensichtlich fast keine Richtschnur mehr. Provozierter Widerstand wird zuallererst mit noch mehr Gewalt beantwortet. Die Spirale der Gewalt dreht sich.
Unrechtsbewusstsein? - Fehlanzeige! Rechtsbewusstsein? - Gelächter! Recht ist wohl kein Kriterium mehr, wenn es die eigene Macht, die Unmoral, zu sehr behindert.

Ich will nun den Versuch wagen, die dahinter liegenden Gedankengänge aufzuzeigen. Es gibt zwei völlig unterschiedliche Sichten, die zum menschenverachtenden Krieg animieren:
Die eine, wohl eher beim einfachen Volk bzw. in Erklärungen für das Volk anzutreffen, ist die, man müsse dem islamischen Extremismus, auch wenn er uns (noch) nicht unmittelbar bedrohe, das Handwerk legen, bevor er zu einer ernstzunehmenden existentiellen Bedrohung anwachse. Schließlich handele es sich um Leute, die glauben, sie müssten den heiligen Krieg führen, ihr Gott fordere nicht auf, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Das, was da im Koran stehe, zumindest von Fundamentalisten so hineininterpretiert werde, die ganze Religion, müsse man deshalb präventiv und präemptiv bekämpfen. Ich gehe gleich darauf ein, dass dies im Koran nicht steht, in der Bibel dagegen schon.

Doch zuvor zum zweiten Gott, der vor allem bei den Reichen, im militärisch-industriellen Komplex, anzutreffen ist. Ob nun Rüstungsfirmen, private sogenannte Sicherheitsfirmen usw. wirklich so skrupellos sind, wie oft berichtet, oder nicht: Auch diese Leute haben z.B. einen Gott, jedoch einen ganz anderen: den Mammon. Sie glauben sonst an nichts, kennen die Lügen, haben sie z.T. sogar selbst in Auftrag gegeben, wie die Geschichte mit den angeblich durch die irakische Soldateska geplünderten Brutkästen im zweiten Golfkrieg, die von einer Werbefirma frei erfunden, dieser abgekauft worden war.

Da es sich bei solchen Leuten um diejenigen handelt, die im Moment die Macht haben, die sie freiwillig wohl nicht hergeben werden, wird hier direkt nichts zu machen sein. Wenn das Volk die Lügen der falschen Propheten aber durchschaut, ist ihre Macht gefährdet. Hier muss also - und kann wirksam - angesetzt werden.

Lassen wir die Lüge zum ersten Opfer auf dem Weg zum Frieden werden!

Dem steht leider eine Eigenschaft der Menschen entgegen: nämlich dass sie lieber an das Gute glauben, vor allem in sich selbst. Den Splitter im Auge des Anderen sehen sie, den Balken im eigenen Auge nicht.

Doch nun, wie versprochen, noch die Quelle für das obige Zitat. Es entstammt in der Tat nicht dem Koran, sondern dem Neuen Testament, nämlich Matthäus 10, 34 ff, wo es heisst:

„Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein.” - Wehe, wenn so etwas im Koran stünde und das Reich des Guten die Stelle fände! Die Meinungsmacher sind umgekehrt natürlich auch nicht bereit, den Schwertvers des Koran in seinem Kontext zu sehen, der dem der Bibel im Grunde ja genau entspricht, dass nämlich zur Verteidigung - und nur dafür - das Schwert dienen darf. Aus Zeitgründen kann ich darauf, dass die Würde des Menschen und die Nächstenliebe in beiden Schriften Vorrang haben, vor allem, dass auch die Bibel nicht zu Mord und Totschlag - so wenig wie der Koran - anstiftet, hier leider nicht eingehen. Die Parallelen sind aber belegbar, die Forderungen nach Toleranz und Liebe sogar im Grunde deckungsgleich.

Damit bin ich bei meinem letzten Teil, der Lösung, bzw. bei dem, was in meinen Augen ein guter und erfolgversprechender Ansatz zur Beendigung des Horrors, ein Weg zum Frieden, wäre: Erzählen wir den Menschen von der Liebe. Der Liebe, die Ihnen zuteil wurde, und die sie in Gottes Namen ihren Mitgeschöpfen zuteilwerden lassen sollten. Dass sie mit ihren Feinden reden, anstatt ihnen die Bäuche aufzuschlitzen.

Wenn sie das erfahren - ich rede von den Gleichgültigen, nicht von denen, die nur den Mammon anbeten und Macht vor Recht gutheissen - werden sie zu ihren alten Werten zurückfinden, den Mut dann auch aufbringen, sich menschlich zu verhalten, dem Unrecht nicht mehr zu dienen. Ich weiss, dass ich von manch Mächtigen verspottet werde als Idealist, ja Utopist. So als habe es nie etwas anderes gegeben als den Sieg der Macht. Dabei ist es gerade umgekehrt. Nach entsprechendem Verfall der Kultur ist nicht nur das Römische Reich verblasst, sogar die Sowjetunion, damals eine Supermacht, ist mit dem Verrat der menschlichen Würde zerfallen, das Regime der DDR untergegangen. Die Menschheit hat sich international erstmals in ihrer Geschichte von Krieg als Mittel zur Fortsetzung der Politik unter Zuhilfenahme anderer Mittel abgewendet und das Angriffsverbot juristisch verbindlich niedergelegt.

Gleiches gilt für die Menschenrechte, die unmittelbar aus der Würde resultieren. So etwas wie der Irak-Krieg gilt inzwischen schlicht als Verbrechen. Ausgehend von der Habeas Corpus Akte sind wir inzwischen auch in der Praxis ein Stück vorangekommen. Die USA wissen, dass sie weltweit gehasst werden für das Verhalten ihrer Regierung. Die Menschen wollen keine Anstiftung zu Morden, auch wenn es noch ein Gericht in den USA zu geben scheint, das es für unerheblich hält, dass der Irak-Krieg ein Verbrechen ist, wenn es um die Frage geht, dass Lt Watada nicht verpflichtet war, dabei mitzuwirken. Lassen Sie mich also meine Zuversicht ausdrücken: Es wird viele Leute geben, die Lt Watada wie z.B. Mike Honda, Willie Nelson, Harry Belafonte, Mike Farrell, Ed Asner, Randi Rhodes, Susan Sarandon, Martin Sheen und viele andere unterstützen, dass er nicht selbst mit schuldig werden muss. Und es wird viele Leute geben wie das Bundesverwaltungsgericht, meine Kameraden in München oder Sie, die Bürger mit Gewissen davor schützen, zur Mitwirkung an der Zerstörung der Menschlichkeit gezwungen zu werden, so dass sie sich nicht selbst versündigen müssen. Fast alle sind gegen die Bush-Methode und erkennen den Anspruch der USA, die Gunst der Stunde zu nutzen, um sich den Erdkreis auf diese Weise untertan zu machen, so nicht an. In der Hoffnung, dass dies immer mehr werden, rufe ich auf: Wo immer Sie Verantwortung tragen oder sich beteiligt sehen, machen Sie nicht mit bei Verbrechen wie Angriffskrieg! Entscheiden Sie sich für moralisch und juristisch saubere Methoden. Wählen Sie keine Partei, die Angriffskrieg duldet oder schön redet. Glauben Sie nicht an das Böse nur beim Feind. Auch das Gute steckt in jedem Menschen. Lassen Sie es zumindest uns versuchen!

Frau Kathinka Kaden, Sie und Ihre Crew tun das, haben sich das in ihre Statuten geschrieben.
Ich möchte Ihnen zum Abschluss meiner Rede für dies alles, auch für die Gelegenheit, dies öffentlich zum Ausdruck bringen zu dürfen, noch einmal von Herzen danken. Zusammen werden wir es schaffen, dass Phänomene wie der Irak-Krieg, der ja nur der Anfang einer neuen Weltordnung sein sollte, sich ihr eigenes Grab schaufeln, weil zu viele Menschen selbst nachzudenken beginnen angesichts des Leids. Wir werden es wieder in das öffentliche Bewusstsein bringen, dass solche offensichtlichen Verbrechen kein Meilenstein auf dem Weg zur Normalität des ungesetzlichen Tötens in aller Welt werden, sondern der Anfang vom Ende solcher Schrecken, so dass wir mit unseren Freunden wieder in Frieden zusammensitzen und vernünftig reden können, egal ob mit Baha’i, Buddhisten, Christen, Hindus, Jains, Juden, Konfuzianern, Moslems, Shintoisten, Sikhs, oder mit anderen, denn wir sind alle Kinder Gottes, nicht Sklaven des Mammon. Wir müssen uns auch nicht gegenseitig bekehren - und schon gar nicht mit Gewalt.

Es liegt eine gewisse Tragik darin, dass auch bei uns noch immer unmenschliche Grausamkeiten erdacht, gerechtfertigt und von viel zu vielen mitgemacht werden, und nicht, dass es in einer Demokratie Menschen gibt, die Kritik daran frei äussern dürfen, wenngleich Propagandisten mit Nähe zu Angriffskriegen, wie z.B. Horst Teltschik, angesichts der Tatsache, dass Leute wie ich die Verbrechen und die Verbrecher beim Namen nennen, bekanntlich eine Tragik darin sehen, dass bei uns jeder seine Meinung öffentlich vertreten darf. Dass Leute, die auch Angriffskrieg nicht scheuen, wie auch unser eigenes sogenanntes Verteidigungsministerium, Leute wie mich aber gewähren lassen müssen, birgt im Gegensatz zu der Situation in einer Diktatur, die Chance zur Selbstkritik, ist eine unserer größten Stärken. Hier irrt Herr Teltschik also, wenn er nicht bewusst dies einen Vorzug der Diktatur nennen will. Lassen wir uns keinesfalls die Meinungsäusserung verbieten oder uns deshalb schlecht fühlen. Im Gegenteil - sehen wir zu, dass die Mehrheitsmeinung nicht von der veröffentlichten Meinung totgeschwiegen und die Unmoral einfach geduldet wird:

Ich ergänze zur aktuellen Debatte um die Tornado-Jets: Glauben Sie nicht, dass solche Fotos dem Frieden dienen sollen. Selbst nach einem Sieg in Afghanistan haben die Warlords aus den USA ja bereits erklärt, dass dies erst der Anfang ist. Deshalb müssen wir diesen Unfug jetzt beenden. Weder die Fotos noch die darauf folgenden Bomben würden der Versöhnung dienen. Es geht auch nicht um die Verschonung Unschuldiger während einer angeblich notwendigen Bombardierung der Region. All das ist nur gelogen. Weder beendet ein Foto die Kämpfe, noch kann man mit Tonnen von Bomben Muslime von der Überlegenheit unserer Werte überzeugen. Ihre Herzen werden sich nicht mit Gewalt erobern lassen. Man provoziert so nur Widerstand. Das wissen wir. Also suchen wir lieber nach einem Ende der Kämpfe!

Erheben wir erst unsere Herzen, unsere innere Stimme, und sagen wir dann laut, dass Schluss gemacht werden muss mit diesen verwerflichen Zuständen. Einschüchterung mit Flächenbombardement und Folter sind weder Friede noch Freiheit. Der Friede wird zuallererst zu Hause verteidigt, indem man den Mut aufbringt, bei der Wahrheit zu bleiben, keine Kriegslügen duldet oder gar selbst verbreitet, statt dessen Versöhnung fordert. Nachdem das Volk das will, sollten die Diener des Volkes das tun. Die Unterstützung von Angriffskrieg, sogar hinter dem Hindukusch, ist nicht Verteidigung. Der Zwang zur Gefolgschaft selbst bei solchen Verbrechen ist nicht Recht. Damit wird auf Dauer im übrigen kein Blumentopf zu gewinnen sein. Wahrheit, Rechtstreue und Versöhnung sind statt dessen die Mittel der Wahl, auf die wir uns einigen müssen, auf die wir uns mit allen Menschen auch einigen könnten, wenn wir das wollten. Lassen Sie es uns wollen! Das darf gesagt werden. Es muss gesagt werden.
Es muss gelebt werden.

Zur Erinnerung darf ich Ihnen nun diese weiße Rose übergeben.
Herzlichen Dank!

Schlusswort: Dr. Erhard Eppler

Schirmherr des AMOS-Preises

Bericht: Nichtentsendung von Truppen war entscheidend

„Das Entscheidende damals war, dass eine Regierung es gewagt hat, das Gegenteil von dem zu tun, was von ihr verlangt wurde“, sagte Erhard Eppler, der Schirmherr des AMOS-Preises in seinem Schlusswort im Hinblick auf den Irak-Krieg, den er als einen der „dümmsten Kriege in der Weltgeschichte“ bezeichnete.

Die Nichtentsendung von Soldaten in den Irak habe das Ansehen der Bundesrepublik weltweit gesteigert. Eppler bezeichnete dies als emanzipatorischen, irreversiblen Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik seit dem zweiten Weltkrieg, und als Zeichen erheblicher Zivilcourage einer Bundesregierung. „Dies ist ein Glanzpunkt in unserer Geschichte, die an Höhepunkten arm ist“, sagte Eppler.

Zur Kritik Zumachs, dass die Bundesregierung den Irak-Krieg durch die Gewährung von Überflugrechten unterstützt habe, meinte Eppler, ein Politiker denke und entscheide anders als ein Jurist. „Der Politiker hat ein Ziel. Er muss Wesentliches von Unwesentlichem unterscheiden. Er muss im Unwesentlichen Konzessionen machen, um Wesentliches zu erreichen.“ Das Wesentliche sei die Nichtentsendung gewesen.

Die wirkliche Gefahr im 21. Jahrhundert sei nicht mehr der Krieg zwischen Staaten, sondern die privatisierte Gewalt und der damit einhergehende Zerfall des staatlichen Gewaltmonopols. Dies sei auch im Irak eindrucksvoll zu sehen, wo nicht der militärische Sieger dominiere, sondern die entstaatlichte Gewalt im besiegten Land. „Wir brauchen im 21. Jahrhundert ein internationales Gewaltmonopol, das auch da eintreten kann, wo das staatliche Gewaltmonopol zerbrochen ist“, forderte Erhard Eppler. Und wo im 21. Jahrhundert das Militär Polizeiaufgaben wahrnehmen müsse, und Pazifisten Gewalt überwinden wollten, müssten sie beide lernen, dass sie aufeinander angewiesen seien.

Preisverleihungen