Strategische Planung - Gesprächskreisvotum

Votum des Gesprächskreises OFFENE KIRCHE zur Strategischen Planung, gehalten von Prof. Dr. Martin Plümicke

Dank an Herrn Direktor Werner

   1.   Grundlagen der Strategischen Planung:

Der TOP heisst dieses Jahr im Gegensatz zu den Vorjahren „Grundlagen der Strategischen Planung und Strategische Planung“. Wir sind etwas verwundert, dass wir so wenig über die Grundlagen gehört haben, hier meine ich die finanziellen Grundlagen. Dies wurde uns im GA, im SoA und im FA vorgestellt.

Lassen Sie mich das hier in kurzen Worten zusammenfassen, wie wir sie verstanden haben:

a) Die Freiburger Studie geht von einem Mitgliederrückgang von gut 50% bis 2060 bei nominal leicht steigendem Kirchensteueraufkommen aus.

b) Der Oberkirchenrat (OKR) legt dagegen die Zahl der Mitgliederentwicklung von 2019 zu Grunde, die einen größeren Mitgliederrückgang zeigt.

c) Dies hat zur Folge, dass der OKR jährlich von nominal um 0,7% reduzierten zur Verfügung stehenden Mitteln ausgeht. Das hieße eine reale Kürzung der Aufgaben der Landeskirche i.e.S. um 40 Mio. in den nächsten zehn Jahren.

d) In der Versorgung der Pfarrer*innen und Beamt*innen besteht eine Kapitaldeckungslücke von 1,86 Mrd. Euro. Diese soll nun schnellstmöglich zu 70%, also 1,28 Mrd, geschlossen werden. 1,28 Mrd, lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen, das sind fast zwei ganze Jahresaufkommen an Kirchensteuer (einschl. Kirchengemeinden).

e) Gleichzeitig soll die Ausgleichsrücklage wieder auf über 250 Mio. Euro anwachsen. Diese Höhe liegt wieder über 100 Mio. oberhalb der gesetzlich geforderten Höhe.

Auf dieser Basis schwören Sie uns auf ein gemeinsames Vorgehen von Landessynode und OKR ein. 
Wir als OK sagen zu einem gemeinsamen Vorgehen grundsätzlich ja. Wir verlangen aber dass dann auch die Basis gemeinsam erarbeitet wird. Das vermissen wir bisher schmerzlich. Wir hätten erwartet, dass Sie diese Basis hier heute öffentlich nennen und wir dann in einen Diskurs darüber eintreten.

Lassen Sie mich die Position der OK zu den genannten Punkten aufzeigen:

Grundsatz: Die OFFENE KIRCHE steht wie Sie hinter allen gemachten Zusagen unseren Mitarbeitenden gegenüber. D.h. für uns als OFFENE KIRCHE, dass wir uneingeschränkt zu den Versorgungsleistungen für Pfarrer*innen und Beamt*innen stehen.

Dennoch möchte die OK die kapitalgedeckte Versorgung nochmals hinterfragen. Vor etwa sechs Jahren wurde uns erläutert, dass nun die Versorgung der Pfarrer*innen mit Überweisung der letzen Rate an die Ruhegehaltskasse gewährleistet sei. Nur sechs Jahre später klafft bereits eine Lücke von 1,83 Mrd. Euro. Hier müssen anderen Optionen angedacht werden:

  • Verbrauch des Kapitals

  • Zugriff auf kirchliches Vermögen

  • Übergangskredit für die Spitzenlasten

Aus unser Sicht besteht die große Gefahr, wenn wir nun wieder Unsummen der kirchlichen Arbeit entziehen, dass auch dann die Versorgung nicht gesichert ist (Zinsentwicklung: Vielleicht liegt der Zinssatz dann bei 0% => keine Rendite, Inflationsrisiko). Würden wir das Geld in den kirchlichen Wohnungsbau oder in ökologische Energiegenossenschaften stecken, dann würde das Geld zumindest auch heute schon für kirchliche Aufgaben eingesetzt werden. 

Auch sehen wir die Entwicklung nicht so pessimistisch wie der OKR. Hinter uns liegt das Jahr 2019, das Jahr mit dem real fast höchsten Kirchensteueraufkommen aller Zeiten. Wir können nicht erkennen, warum es nach einem Ende der Corona-Epidemie plötzlich zu derartigen Einbrüchen kommen soll. Wir gehen von einer ähnlichen Entwicklung wie in den letzten 10 Jahren aus. Leichter Sinkflug. Sinkende Kirchenmitgliederzahlen, dementsprechend leicht unter dem Wirtschaftswachstum liegende Kirchensteuersteigerungen. Deshalb plädieren wir für die Jahre 2022ff mit 0% - 3% Steigerung zu planen.

2. Strategische Ausrichtung

Zweien ihrer Schwerpunkte, Herr Werner, „Gesamtbildungsplan“ und „Diakonisches Handeln “ können wir als OK voll und ganz zustimmen.
Auch die Schwerpunkte und Ziele, die Sie in Gesamtbildungsplan und Diakonischen Handeln nennen treffen bei uns auf offene Ohren. Lassen Sie mich insbesondere nochmals nennen

       „In Vielfalt friedlich und aufeinander bezogen zu leben - Gerechte Teilhabe einzufordern und zu eröffnen - Öffentlich (soziale) Verantwortung zu übernehmen - Kreativität und Innovationen ermöglichen und befördern“ und einen verstärkten Blick auf die Quartiersarbeit zu richten.
Was uns als OK allerdings fehlt ist die Klimagerechtigkeit. Sie nennen Sie zwar, aber nicht als Kernthema und Schwerpunktziel. Da gehört es unserer Sicht aber hin. Nicht nur weil es das zentrale Thema der jungen Generation ist, sondern weil es eine - wenn nicht die - Überlebensfrage der Menschheit ist.
Wir müssen dabei als Kirche in Wort und Tat vorangehen. Das heißt für uns als OK, dass wir in unserer Verkündigung da einen Schwerpunkt setzen müssen. Aber eben auch als Organisation Kirche einen Beitrag leisten und so im Diskurs glaubwürdig sein.

Beim Schwerpunkt Pfarrer*innen haben wir Mühe. Einerseits denken wir, dass wir nicht nur auf eine Berufsgruppe fokussiert sind, sehen wir einen etwas anderen Akzent als Sie. Sie betonen die Entlastung durch das Projekt Kirchliche Strukturen 2024 plus! Ob mit diesem Projekt, wie Sie es im Moment verstehen, das Pfarramt wirklich entlastet wird, stellen wir in Frage. Was uns aber noch größere Sorgen macht ist die Handlungsfähigkeit unserer Kirchengemeinden. Wir sehen bei diesem Projekt die Gefahr einer faktischen Verlagerung der Entscheidungskompetenz auf die mittlere Ebene und eine Aushöhlung der Selbstständigkeit der Kirchengemeinden. Unsere Antwort entlastet Pfarrer*innen durch dezentrale Zentralisierungen auf der Ebene weltlicher Kommunen oder kirchlicher Distrikte. Auch dann werden wir eine deutliche Entlastung des Pfarramts erleben aber eben keine Aushöhlung der kommunalen kirchlichen Selbstverwaltung. Oberndorf am Neckar ist dafür das beste Beispiel.   

3. Ausblick

Was wir aber schmerzlich vermissen ist eine Vision von Kirche. Der Bericht ist geprägt von einem Pragmatismus, „ja wir werden weniger, ja wir werden kleiner, dem sind wir auf Gedeih und Verderb ausgeliefert und jetzt machen wir eben das Beste draus, so schlecht ist es vielleicht garnicht“. Auch wir als OK haben nicht die Hoffnung, dass wir wachsen. Aber derart hoffnungslos sind wir nicht. 

Wenn wir nochmals einen Blick auf die Freiburger Studie werfen, so sagt sie uns, dass nur die Hälfte des Mitgliederrückgangs also etwa 25 Prozentpunkte auf den demografischen Wandeln zurückzuführen, also unabwendbar, ist. Die anderen 25 Prozentpunkte könnten wir beeinflussen. Da fehlen uns in Ihrem Bericht Begriffe wie „Mitgliederbindung“, die „Relevanz der Kirche in der Gesellschaft“. Wir müssen schonungslos unsere Außenwahrnehmung in der Gesellschaft analysieren. Da gibt schon in der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung von 2014 einigen Aufschluss. Nur die richtigen Konsequenzen sind wir noch nicht bereit zu ziehen. 

Wir müssen uns klar werden, dass die Gottesbilder des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts bei aufgeklärten Menschen des 21. Jahrhundert nicht mehr verfangen. Wir müssen bereit sein, uns von manchen Gottesbildern vergangener Jahrhunderte zu trennen und dialogfähig für Gottesbilder der Menschen heute werden. Nur dann werden wir wieder mehr Akzeptanz in der Gesellschaft finden. Und dann müssen wir, wie jede andere Organisation auch, wenn wir überleben wollen, investieren, alte überkommene Strukturen überwinden und neue Angebotsformen entwickeln. Ihr Sparkurs, den Sie nun auflegen, wird genau das Gegenteil erreichen. Er wird den Mitgliederrückgang nicht bremsen, sondern beschleunigen. Bei einem solchen Veränderungsprozess wären auch wir als OK bereit auch uns lieb gewordenen Arbeitsform hinterfragen zu lassen. Aber nicht, und das betone ich mit Nachdruck, um sie ersatzlos zu streichen, sondern nur um Investitionsmittel zur Verfügung zu haben, zeitgemäße neue Angebotsformen zu entwickeln.

27.11.2020, Prof. Dr. Martin Plümicke

Votum OK zur Strategischen Planung