DAS ARME KIND IN DER KRIPPE UND DIE ARMEN KINDER UNSERER ZEIT

Oder: Was ein wahres Weihnachten mit dem neuen UN-Kinderbericht zu tun hat       

Nachdenklicher Kommentar für Dezember 2009

Er wird der letzte sein, den ich per Mail oder per Post hinausgehen lasse. Nachdem mein 85.Lebensjahr hinter mir liegt, ist es auch für mich Zeit, strenger als bisher mit der verbliebenen Kraft und Zeit hauszuhalten, und so dem an betagte Menschen gerichteten Dichterwort noch besser zu folgen „Am Abend sollst du ruhevoller schreiten“.                                                 
   
Dieser letzte Nachdenkliche Kommentar an der Schwelle zur Weihnachtsfestzeit ist der Frage nach dem „wahren Weihnachten“ gewidmet. Ich habe überhaupt nichts dagegen, daß unseren Kindern auf alle mögliche Weise in dieser Festzeit Freude gemacht wird. „Wahres Weihnachten“ jedoch hat die besondere Eigenart, daß wir unseren Blick nicht auf das „arme Kind in der Krippe!“ richten, ohne ihn gleich scharf und mitfühlend auf alle armen Kinder dieser Zeit zu richten. Der UNICEF-Kinderbericht dieses Jahres richtet unsere Blicke genau auf die vielen skandalösen Facetten dieser Armut: Die millionenfache harte Arbeit von Kindern ohne die Möglichkeit eines Schulbesuchs / die Milliarden Kinder, die in Gebieten mit bewaffneten Konflikten leben / Millionen, die auf andere Weise Opfer von Gewalt, Ausbeutung und Menschenhandel wurden oder nach Krieg oder Naturkatastrophen ihre Heimat verlassen mußten./ Mindestens eine Million rechtlos in Gefängnissen. Das alles in der Ferne von den reichen Ländern des Westens, und doch von ihren hauptsächlich auf eigenen Machtgewinn gerichteten Regierungen mit zu verantworten. 
   
Aber auch hier, in Deutschland gibt es (auch nach dem vorjährigen Bericht) nicht hinnehmbare Lücken in der Verwirklichung von Kinderrechten. Unser Land ist hier „im .. Vergleich der Industrienationen nur Mittelmaß, wenn es darum geht, eine verlässliche Lebensumwelt für Kinder zu schaffen und den Ausschluss von benachteiligten Kindern zu verhindern. - In Deutschland wächst die Kluft zwischen den Kindern, die gesund, abgesichert und gefördert aufwachsen, und solchen, deren Alltag durch Hoffnungslosigkeit, Mangel und Ausgrenzung geprägt ist - mit weit reichenden Folgen für ihr ganzes Leben.“ Und: Kinderrechte gelten bei uns für ausländische Kinder nur eingeschränkt – für „Illegale“ überhaupt nicht. (Und Studierende protestieren zur Zeit mit Recht gegen unwürdige Einengungen)
   
Eine Betrachtung des Bildes aus meiner eigenen Nagolder Kirche zeigt den Ausweg aus dieser weltumgreifenden Mißachtung der Lebensrechte von Kindern in der Anbetung eines Mächtigen, der vor dem Kind in der Krippe niederfällt: „Umjubelt werden die Größeren, die Erfolgreichen. Menschen scharen sich um Berühmte und Prominente. Und hoffen, dass etwas auf sie abfällt vom Glanz.
Zu allen Zeiten wurden Menschen angebetet. Das geschieht auch heute noch -  Und zu allen Zeiten gibt es Mächtige, die fordern, angebetet zu werden. - Und ein Kind anbeten als den Retter der Welt? Das fällt schwer. Warum? Weil wir alle davon ausgehen, dass nur mit Macht und Gewalt die Verhältnisse zum Guten zu wenden sind.“ – Nein! Jedenfalls nicht mit der Macht und Gewalt des großen Geldes, der großen Machtbündnisse und der diesen Interessen (auch mit Teilnahme der Bundeswehr) dienenden Kriege.

Sondern: mit der Macht der Wahrheit und der mitfühlenden Solidarität mit den Opfern jeder Ungerechtigkeit, - ganz nach dem von Hanns Dieter Hüsch vertretenen Motto: „Ich hab mir's überlegt: / Ich setze auf die Liebe / Das ist das Thema / Den Hass aus der Welt zu entfernen / Bis wir bereit sind zu lernen / Dass Macht Gewalt Rache und Sieg / Nichts anderes bedeuten als ewiger Krieg / Auf Erden und dann auf den Sternen / Ich setze auf die Liebe / Wenn Sturm mich in die Knie zwingt / Und Angst in meinen Schläfen buchstabiert / Ein dunkler Abend mir die Sinne trübt / Es kann mir (einer) sagen was er will / Er kann mir singen wie er's meint / Und mir erklären was er muss / Und mir begründen wie er's braucht /  Ich setze auf die Liebe! Schluss.“  Auch ich will bei all den aktuellen Themen jenseits meiner eigenen kleinen Welt weiter mit der Kraft und der Reichweite, die mir geblieben ist, für gerechte, friedliche und menschenfreundliche Lösungen eintreten.

Mit guten Wünschen für die kommende Festzeit grüßt herzlich Siegfried Böhringer