Schwere Arbeit: Der neue Rat der EKD

Der Rat der EKD ist nach Kirchenordnung und Selbstverständnis die höchste Repräsentation des Protestantismus in Deutschland. Allerdings hat er, bedingt durch die föderale Struktur und die Unabhängigkeit der Landeskirchen, keine Weisungs- und Leitungsbefugnis. Seine Autorität begründet sich in der Qualität seiner Arbeit und seiner Äußerungen. Daran hat es bei aller Eloquenz des Ratsvorsitzenden Huber durchaus gehapert, wie der jüngste Vorgang um die Dissonanzen mit den Katholiken über ein Referentenpapier aus dem Kirchenamt der EKD belegt. Das größte Projekt der abgelaufenen Amtszeit, der Reformprozess „Kirche der Freiheit“ oder neuerdings „Kirche im Aufbruch“, verzeichnet wenig Nachhaltigkeit an der kirchlichen Basis. Vielleicht liegt es ja daran, dass Reformen von „oben“ in der Regel nicht sehr erfolgreich sind. Die Glut glüht immer unten!

Der neu gewählte Rat und die Ratsvorsitzende Margot Käßmann haben eine schwere Aufgabe vor sich. Die evangelischen Landeskirchen stehen je auf ihre eigene Weise mit dem Rücken zur Wand. Ihre Deutungshoheit im öffentlichen Diskurs schwindet, zumindest bei der jüngeren Generation. Die Mitgliederzahlen sinken offenbar nicht nur aus demographischen Gründen. Viele Menschen in der demokratischen Öffentlichkeit unseres Landes können mit den alten, noch von kleinteiligen deutschen monarchischen Zeiten geprägten Kirchenordnungen und den mangelnden Beteiligungskulturen nichts anfangen.

Noch weniger anziehend erweist sich der Versuch, durch die Annäherung an evangelikale Missionsbestrebungen wieder mehr Mitglieder zu gewinnen. Längst ist bekannt, dass die vorgeblichen Missionsanstrengungen evangelikaler Kreise mehrheitlich dem Binnentransfer schon kirchlich gebundener Menschen zu frommeren Kirchenmitglieder dient. Die vermutlich der eigenen Ratlosigkeit geschuldete Anbiederung an die evangelikalen Strategien hat einen hohen Preis. Zu viele in den eigenen Reihen fühlen sich für dumm verkauft. Viele kritische Intellektuelle sind aus der Kirche ausgezogen. Viele MitarbeiterInnen verhalten sich seit Jahren opportunistisch und möglichst unauffällig (Stichwort: innere Emigration). Der Versuch Hubers, vor allem die kulturellen und wirtschaftlichen Eliten kirchlich zu binden, führt vermutlich nicht aus dem Dilemma. Kirche ist niemals Selbstzweck. Es zeigt sich in ihrem politischen Bemühen um das Wohl der Menschen, wie sie das Evangelium hört und was sie glaubt. Und so gilt für alle kirchlichen Verlautbarungen und missionarischen Bemühungen nach wie vor das Verdikt Helmut Gollwitzers: „Ein Satz, der unser Verhältnis zu den anderen Menschen und zur Gesellschaft beim alten lässt, ist nicht wert, ein Satz christlichen Glaubens zu sein.“

Mission impossible, der neue Rat tritt ein schweres Erbe an. Wichtigste Aufgabe wird es sein, Aufbruchstimmung zu ermöglichen. Dies wird nicht in ausgewählten Zirkeln und Kompetenzzentren, in Zukunftswerkstätten oder Gemeindeentwicklungskongressen gehen, sondern durch das Entzünden des Lichtes an der Basis der Kirche, durch Mut machende Predigten, entschiedene Parteilichkeit für die Ausgegrenzten und geschwisterliche Beteiligungsformen. Dazu gehört auch, dass gewählte kirchliche Gremien wieder ernst genommen werden gegen die Kultur der Steuerungs-, Arbeits- und Expertengruppen. Wenn es die neue Ratsvorsitzende zu Wege bringt, Identität zu schaffen zwischen der Basis und ihrer Position und Person, dann sind wir einen Schritt weiter auf dem Weg.
Dem neuen Rat Gottes Segen!