Pressemitteilungen

AMOS-Preis für zwei Friedensabenteurer im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

In einer bewegenden Feierstunde in der voll besetzten Erlöserkirche in Stuttgart hat die OFFENE KIRCHE, evangelische Vereinigung in Württemberg, den Amospreis für Zivilcourage in Kirchen, Religionen und Gesellschaft zwei unerschrockenen Friedensabenteurern im Konflikt Israel-Palästina verliehen. Die Preisträgerin aus Palästina ist Dr. Sumaya Farhat-Naser, der Preisträger aus Israel ist Reuven Moskovitz.

Die beiden Preisträger mit der OK-Vorsitzenden U. Stepper
Dr. Sumaya Farhat-Naser
Reuven Moskovitz mit Mundharmonika
Schirmherr Erhard Eppler
Band BURNING ICE, Geislingen

Ulrike Stepper, neue Vorsitzende der Offenen Kirche, sagte in ihrer Begrüßung: „Ihnen wurde der Preis zugesprochen, weil Sie sich beispielhaft, gewaltfrei und prophetisch für Gerechtigkeit und Versöhnung im Nahostkonflikt einsetzen.“ Stepper konnte neben den Preisträgern auch die jüdische Menschenrechtsanwältin Felicia Langer aus Tübingen als Laudatorin und Erhard Eppler als Schirmherrn des Amospreises begrüßen.
Langer sagte in ihrer Laudatio: „Es gibt kein Recht und keine Gerechtigkeit in Israel – Palästina und unsere Preisträger kämpfen dagegen seit vielen Jahren. Es ist ein Segen, sie dafür auszuzeichnen und zu weiterem Einsatz für Gerechtigkeit zu ermutigen.“
Langer erinnerte an das Kairos-Dokument palästinensischer Christen aus dem Jahr 2009, das zur Beendigung der Besatzung Palästinas durch Israel aufruft. Die Preisverleihung falle in eine Zeit, in der die arabischen Völker für ihre Freiheit von Diktatoren eintreten. So werden auch die Palästinenser ihre Entrechtung nicht länger dulden, sagte Langer. „Es ist heute eine historische Preisverleihung,“ fügte sie hinzu.

Dr. Sumaya Farhat-Naser wurde in Deutschland 1994 durch den Streit über eine von Palästinenserinnen erstellte Weltgebetstags-Liturgie bekannt. 
Farhat-Naser sagte in ihrer Dankesrede: „Der Israel – Palästina Konflikt ist einer der wichtigsten Faktoren, der die Etablierung diktatorischer Regime im nahen Osten ermöglicht. Zivilcourage ist nötig, damit es uns gelingt, unsere Wut in Handeln, in Aktion, in Gegenwehr, in gewaltfreien Widerstand zu transformieren mit der Zielsetzung der Umkehr, der positiven Veränderung hin zu einer besseren Welt.“
Die unerschrockene Frau erzählte, wie sie sich an einem Kontrollpunkt an der Mauer, die Israel und Palästina voneinander trennt, zwischen einen israelischen Soldaten und einen jungen Palästinenser stellte. Der Soldat bedrohte den Mann mit einem Gewehr. Farhat-Naser sagte zu dem Soldaten: „Hab keine Angst, ich will dich schützen. Du hast ein Gewehr, aber ich schütze dich.“ Als der Soldat nicht recht verstand, sagte sie: „Ich kenne deine Mutter, sie sorgt sich um dich.“ „Wieso kennst du meine Mutter?“ fragte der Soldat. Sie antwortete: „Weil ich eine Mutter bin.“ Darauf ließ der Soldat von seinen Drohungen ab.

Der 82-jährige Reuven Moskovitz gewann die Zuhörer durch seinen schlagfertigen Humor und sein Musizieren auf der Mundharmonika. Er freute sich, dass ihm der Preis in einer protestantischen Kirche verliehen wurde, denn „wir dürfen nie aufhören, zu protestieren.“ Moskovitz war Mitbegründer der Siedlung „Neve Shalom“, in der israelische Juden und Palästinenser zusammenleben. Er beteiligte sich am Protest gegen die Blockade des Gaza-Streifens am 31. Mai 2010. Er erlebte den Überfall durch Soldaten auf Schnellbooten und spielte währenddessen auf seiner Mundharmonika „Hevenu schalom alechem“. Moskovitz sagte in seiner Dankesrede: „Ein Volk, das ein anderes unterdrückt, kann nicht frei sein. Der Frieden mit dem palästinensischen Volk ist der Schlüssel zum dauerhaften Frieden mit Israel.“

Schirmherr Erhard Eppler erinnerte ebenfalls an das Kairos-Dokument palästinensischer Christen und zitierte daraus: „Obwohl wir keine Hoffnung haben, schreien wir unsere Hoffnung hinaus.“ Eppler versetzte sich in die Lage Israels und sagte: „Alles was sie tun, verstehen sie als Selbstverteidigung. Sie leben in dem Grundgefühl, Opfer zu sein. Jede Kritik von außen bestätigt sie nur in ihrer Opferrolle.“ Wer aber seit über 40 Jahren ein anderes Volk unterdrückt und das Land besetzt, sei auch Täter, so Eppler. Das müsse Israel verstehen lernen. Wer Interesse an einer guten Zukunft des Landes habe, müsse Israel das sagen. 

Die OFFENE KIRCHE zeichnet mit dem Amos-Preis Personen aus, die in besonders eindrücklicher, prophetischer Weise die freimachende und Gerechtigkeit fordernde Botschaft der Bibel weitergeben. Der Preis ist nach dem biblischen Propheten Amos benannt, der im 8. Jahrhundert vor Christus gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit kämpfte. 
Musikalisch wurde die Feier umrahmt durch die Jugendband „Burning Ice“ aus Geislingen. Sie sang und spielte Freiheitslieder aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen.
Ulrike Stepper dankte abschließend Roland Helber, der für die Organisation der Preisverleihung  verantwortlich war. Die Kirchenleitung der evangelischen Kirche in Württemberg war bei der Feierstunde nicht vertreten.

Michael Seibt, 20.3.2011