AMOS-Preisverleihung 2013 an Vikarin Carmen Häcker

In einem feierlichen Festakt wurde am Sonntag Reminiscere, am 24. Februar 2013, in der Erlöserkirche in Stuttgart Carmen Häcker für Zivilcourage in Kirchen, Religionen und Gesellschaft geehrt. Die Vorsitzende der OFFENEN KIRCHE und der Jury, Ulrike Stepper, begründete dies so: „Sie, Frau Häcker, haben Grenzen nicht respektiert, ein Tabu gebrochen, momentan Unmögliches versucht und dabei Vertrauen gelebt, in Liebe gehandelt und Hoffnung gewagt, nämlich als Vikarin der Evangelischen Landeskirche in Württemberg 2011 einen muslimischen Mann, ihren Mann Monir Khan, geheiratet.“ Sie habe gewusst, dass dies einschneidende berufliche Konsequenzen zur Folge haben würde und trotzdem das Recht in Anspruch genommen, das in unserem Land gelte: als erwachsener Mensch den Menschen zu heiraten, den frau oder man liebt.

Begrüßungsrede der OK-Vorsitzenden Ulrike Stepper

Auch dem Laudator, dem Religionswissenschaftler Professor Dr. Stefan Schreiner von der Tübinger Universität, imponierte dies. Ihm war Carmen Häcker schon als Studentin aufgefallen, als sie sich zur Kopftuchdebatte mit einer Seminararbeit zum Thema „Das Kopftuch bedeckt den Kopf, nicht das Gehirn - das muslimische Kopftuch in der Fremd- und Selbstwahrnehmung“ couragiert positionierte. Er bezog sich auf die ersten Christen, für die es Alltag war, neben Menschen anderer Religionsgemeinschaften zu leben, was Paulus dazu bewog zu schreiben: „Der ungläubige Mann ist geheiligt durch die Frau und die ungläubige Frau ist geheiligt durch den gläubigen Mann.“ - „Um wie viel mehr sollte dies für die Ehe einer Frau mit einem Muslim gelten“, so Schreiner. Die Neubestimmung des christlich-islamischen Verhältnisses stehe noch aus, sei aber notwendig, da konfessions- und religionsverschiedene Ehen immer weiter den Charakter des Außergewöhnlichen verlieren würden. Selbst die EKD sehe darin eine Chance, wenn das verbindende Element zwischen Christen und Muslimen die gemeinsame Überzeugung sei, dass die Ehe eine gute Gabe Gottes ist. „Warum sollte das evangelische Pfarrhaus von der Möglichkeit ausgeschlossen bleiben, Ort und Chance interreligiösen und interkulturellen Lernens und Lebens“ zu sein, so Schreiner.

Laudatio des Religionswissenschaftlers Prof. Stefan Schreiner

„Das Vertrauen in Gott, der die Liebe ist, in der wir geborgen sind“ war die Grundlage und Zuversicht von Carmen Häcker und ihrem Mann Monir Khan zu heiraten. Sie habe an der Feuerstelle unter den Mangobäumen in Bangladesh bei der Familie ihres Mannes gespürt, dass sie anerkannt sei, so wie sie ist. Ihren Mann und sie verbinden die Abenteuerlust, Neues zu erfahren. Deshalb habe sie das Grundrecht in Anspruch genommen, den zu heiraten, den sie liebe. Froh sei sie, dass der AMOS-Preis kein Trostpreis ist, sondern notwendige Diskussionen anstoße.
Rede der Preisträgerin Carmen Häcker

Schirmherr Dr. Erhard Eppler, Bundesminister a.D., freute sich nach der Rede der Preisträgerin noch mehr über die Verleihung, weil Carmen Häcker frei von jedem Selbstmitleid den Konflikt mit Institutionen bewusst auf sich genommen habe, den Konflikt zwischen Menschen, Überzeugungen und kollidierenden Gefühlen. Sie sei im Konflikt mit der Evangelischen Landeskirche, die es seit 500 Jahren gebe und deren oberster Bischof bis 1918 der württembergische König war, der im Herzogtum das Leben bis ins kleinste Detail bestimmte. Und innerhalb der Kirche mit dem evangelischen Pfarrhaus, das immer noch nach dem Muster der Katharina von Bora, in das sich auch Martin Luther einzufügen hatte, oft gesellschaftliches Zentrum des Dorfes oder der Kleinstadt ist. Theologiestudenten mussten bis  vor kurzem ihre Verlobte dem OKR vorstellen, der entschied, ob sie die richtige Frau für ihn sei. Auch heute würden Funktionsträger danach gemessen, ob sie die Kirche zusammenhalten können. „Ich möchte Ihren Mut damit nicht relativieren, nur klarmachen, worauf Sie sich eingelassen haben. Es gehört Mut dazu, es ist eine Provokation. Vielleicht wird in Zukunft anders entschieden, vielleicht gibt es Möglichkeiten, persönliche und berufliche Berufung in einer anderen Landeskirche mit einer anderen Geschichte zu leben.“ Und er fügte an: „Ich bitte Sie, Ihre Arbeit in Berlin mit humorvoller Nachsicht auf diese Kirche zu tun. Die so ist, wie sie geworden ist und die Zeit braucht, anders zu werden.“

Umrahmt wurde die Preisverleihung mit Musik des Bruders der Preisträgerin, Andreas Häcker, am Klavier und Ali Ungan, der an der Orientalischen Musikakademie in Mannheim Unterricht gibt, mit einer Saz (Langhalslaute) und der Gregorianik ähnlichem Gesang.

Renate Lück

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