OK-Mitgliederversammlung 2015

Jahres- und Mitglieder-Versammlung der OFFENEN KIRCHE am 15. März 2014 in Stuttgart mit dem Thema "Dritter Weg –wie geht es weiter? Arbeitsbedingungen in Diakonie und Kirche"

Ulrike Stepper, OK-Vorsitzendene, begrüßt Mitglieder und Gäste:
"Es wird, es muss ein neues Arbeitsrechtsregelungsgesetz in der evang. Landeskirche in Württemberg geben, oder wie es ausführlich heißt, ein "Kirchliches Gesetz zur Änderung der Gestaltung der arbeitsrechtlichen Regelung im Bereich der Ev. Landeskirche in Württemberg".
Sie alle wissen, dass innerhalb der Kirche der "Dritte Weg" einer "Dienstgemeinschaft" praktiziert wird, d.h. die von Dienstgebern und Dienstnehmern paritätisch besetzte, arbeitsrechtliche Kommission handelt Eingruppierungen, Löhne etc. aus.
2007 allerdings hat die Landessynode auf Vorschlag des OKR in dieses System eingegriffen und ermöglichte mit Zustimmung der betrieblichen MAV die Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinie der EKD-DD. – ohne eine Einbeziehung der Arbeitsrechtlichen Kommission. Das hat Auswirkungen bis heute.
Das Bundesarbeitsgerichtsurteil vom 20. November 2012 hat – endlich – Bewegung gebracht. Das Urteil bestätigt zwar das Selbstbestimmungsrecht der Kirche und damit auch das Recht auf ein eigenes Arbeitsrechtsregelungsverfahren, stellt dafür aber bestimmte Forderungen auf:

  • eine paritätisch besetzte Kommission muss die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten gemeinsam aushandeln, (Konfliktlösung durch eine Schlichtungskommission mit einem neutralen Vorsitzenden) (dann dürfen Gewerkschaften nicht zum Streit aufrufen) und
  • dabei muss das einseitige Tarifwahlrecht durch den Dienstgeber ausgeschlossen sein und
  • es muss eine Beteiligungsmöglichkeit für die Gewerkschaften geben.

Die EKD hat dazu ein Gesetz erlassen, was verschiedene Wege zulässt. Wir werden die Details in den angekündigten Referaten hören. Besonderes Augenmerk legt die OFFENEN KIRCHE dabei auf die Auswirkungen der jeweiligen Modelle hinsichtlich der demokratischer Beteiligung der Mitarbeitenden und dem Entgegenwirken des immensen Lohnkostendrucks im Sorge-bzw. Pflegebereich –also der Anerkennung und Gewährleistungeiner angemessenen Bezahlung von Sorgearbeit."

Ulrike Stepper begrüßte Dr. Jörg Antoine vom Diakonischen Werk in Niedersachsen, Oberkirchenrat Erwin Hartmann/Evang. Kirche in Württemberg und Frau Irene Gölz von ver.di in Stuttgart.
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion wirkten weiter mit: Reinhard Haas/LakiMAV,  Ulrich Maier/AGMAV, Berhard Schneider/Hauptgeschäftsführer der Evang. Heimstiftung.
Zusammen mit Romeo Edel vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt/Stuttgart moderierte die OK-Vorsitzende die Diskussionsrunde.

Auf dem Foto von links nach rechts:
R. Haas, I. Gölz, U. Maier, R. Edel, U. Stepper, B. Schneider, J. Antoine, E. Hartmann

Dritter Weg - wie geht es weiter?

Da ein neues Arbeitsrechts-regelungsgesetz in der württembergischen Landeskirche  beschlossen werden muss, wollte die OFFENE KIRCHE ihre Mitglieder über die geltenden und eventuell möglichen Arbeitsbedingungen in Kirche und Diakonie informieren. Deshalb lud der Vorstand Dr. Jörg Antoine vom Diakonischen Werk Niedersachen ein, OKR Erwin Hartmann von der Ev. Landeskirche Württemberg und Irene Gölz von Ver.di/Stuttgart, die jeweils ihren Standpunkt in Referaten erklärten.
Im Prinzip gilt in Württemberg der so genannte Dritte Weg einer Dienstgemeinschaft, in der Streik nicht erlaubt ist. Die Löhne werden von der arbeitsrechtlichen Kommission ausgehandelt, die paritätisch von Dienstgebern und -nehmern besetzt ist.
2007 griff allerdings die Synode auf Vorschlag des Oberkirchenrats in dieses System ein und ermöglichte mit Zustimmung der betrieblichen Mitarbeitervertretungen die Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinie der EKD-Diakonie Deutschland - ohne Einbeziehung der arbeitsrechtlichen Kommission. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte am 20. November 2012 zwar das Selbstbestimmungsrecht der Kirche, stellte aber für das Arbeitsrechtsregelungsverfahren bestimmte Forderungen auf:
Die Kirche darf Streiks ausschließen, wenn

  1. eine paritätisch besetzte Kommission die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten gemeinsam aushandelt.
  2. Bei Konflikten wird eine Schlichtungskommission mit einem neutralen Vorsitzenden angerufen.Dabei muss das einseitige Tarifwahlrecht durch den Dienstgeber ausgeschlossen sein und 
  3. es muss eine Beteiligungsmöglichkeit für die Gewerkschaften geben.

Die EKD hat dazu ein Gesetz erlassen, das verschiedene Wege zulässt, die von den Gästen dargestellt wurden. Der OK sind dabei die Auswirkungen der Modelle hinsichtlich der demokratischen Beteiligung der Mitarbeiter_innen wichtig und das Entgegenwirken des immensen Lohnkostendrucks im Sorge- und Pflegebereich, also die Anerkennung der Arbeit durch angemessene Bezahlung.

Standpunkte:
Oberkirchenrat Erwin Hartmann vertrat den Dritten Weg ohne Streikrecht, aber mit Schlichtung. Das habe sich in Württemberg bewährt. Die Gewerkschaften sollen in der Arbeitsrechtlichen Kommission beteiligt werden.
Irene Gölz von Ver.di widersprach, sie seien bei der Entwicklung des vorgelegten Gesetzentwurfs nicht gefragt worden. Der dritte Weg sei für sie nicht akzeptabel, weil die Gewerkschafter in der Arbeitsrechtlichen Kommission überstimmt werden können. Außerdem seien die Arbeitnehmer_innen bei praritätischer Besetzung immer abhängig von ihren Arbeitgebern. Wegen des Wettbewerbsdrucks in der Diakonie plädierte sie für einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für alle. Der TVöD sollte übernommen und weiterentwickelt werden.
Dr. Jörg Antoine erklärte, dass es in Niedersachen zwei Arbeitsrechtliche Kommissionen für Kirche und Diakonie gegeben habe. 600 kleine private Träger arbeiteten ohne Tarifverträge, die großen - AWO, DRK, Diakonie und Caritas - hatten verschiedene und kamen bei dem Wettbewerb unter Druck. In langwierigen Verhandlungen hätten sie nun in Übereinstimmung mit Ver.di einen allgemeinverbindlichen "Tarifvertrag Soziales" erreicht, der auch vom Land unterstützt wird. Das Risiko ist, dass die Gewerkschaft auf dem Streikrecht besteht. Die Chancen sieht er darin, dass Kirche und Gewerkschaft sich nun gegenseitig respektieren und der Tarif Lohndumping verhindert. Die sozialen Berufe gewönnen wieder mehr an Attraktivität, was eigentlich das Ziel aller Beteiligten ist.

Podiumsdiskussion:
Nach den drei Stellungnahmen der Referenten diskutierten diese mit Reinhard Haas, dem Mitarbeitervertreter der landeskirchlichen Angestellten, Ulrich Maier, dem Mitarbeitervertreter der Diakonie-Beschäftigten und Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer der Evang. Heimstiftung. Romeo Edel vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt und die Vorsitzende der OK, Ulrike Stepper, moderierten dieses Podium.
Pfarrer Edel fragte Berhard Schneider als Vorsitzenden der württembergischen Dienstgeber im DW, ob er Angst habe, dass der Vertrag aus Niedersachen, also der sog. zweite Weg, nach Württemberg käme. Schneider war der Meinung, dass die Augenhöhe zwischen den Verhandlungspartnern in der württembergischen Arbeitsrechtlichen Kommission gegeben sei und wunderte sich, dass daraufhin einige lachten. Susanne Hase/AGMAV sagte später, dass sie auf dem Weg zurück an ihren Arbeitsplatz Angst vor ihrem Chef habe. Reinhard Haas sagte: "Wir möchten in allen Kirchen den TVöD. In der Diakonie ist es schwieriger." Hartmann betonte, dass die Kirche mit den Gewerkschaften um eine Lösung für guten und bezahlbaren Lohn ringen müsse. Er wolle den Dritten Weg stärken, weil er denke, dass es den Dienstgebern damit besser gehe.
Dr. Antoine berichtete, dass ihre Lösung zu viel mehr politischem Ansehen und Gewicht in der Sozial-Diskussion geführt habe. Die Gewerkschaften setzten sich selber Grenzen, denn es sehe nicht gut aus, wenn bei einem Streik Patienten unversorgt blieben. Er vermisse aber noch ein vertrauensvolles Miteinander mit Leuten auf der anderen Seite, die verstünden, was in Kirche und Diakonie passiere.

In der anschließenden Diskussion kritisierte Gerhard Dürr Bernhard Schneider, der alles so toll dargestellt habe, obwohl in allen Bereichen Tarifflucht herrsche. Das wurde noch einmal aufgegriffen mit der Feststellung, dass in ganzen Branchen die Beschäftigten zum Niedriglohn arbeiteten, den Kunden aber Diakonie vorgegaukelt werde. Gerhard Schubert fragte, warum es nicht für die Kirche den Dritten Weg und für die Diakonie einen anderen Tarifvertrag geben könne. Reinhard Haas wehrte sich dagegen, als von den Mitarbeitern gewählter Mandatsträger die Zuständigkeit an die EKD abzugeben. In der verfassten Kirche hätten sich fast 80 Prozent für den bisherigen Weg ausgesprochen, in der Diakonie sei es andersherum.
Dr. Antoine bekräftigte noch einmal, dass man für den "Tarifvertrag Soziales" den dritten Weg nicht verlassen müsse. "In Niedersachsen wollen Politik und Dienstgeber die Kostenträger zwingen, mehr Geld ins System zu geben. Wenn wir uns jetzt nicht für die Beschäftigten einsetzen, wo es Deutschland gut geht,dann werden wir es nie tun."

Als Konsequenz der Diskussionen zum Arbeitsrechtsregelungsgesetz am Vormittag brachte Ulrike Stepper bei der Mitgliederversammlung den Entwurf zu einer Resolution ein, in dem die OK die Landessynode auffordert, "bei der Neufassung des diakonischen Arbeitsrechts alles dafür zu tun, einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag ‘Soziales’ zu ermöglichen. Dies umfasst auch die Prüfung der Möglichkeit der Abkehr vom dritten Weg und die Einführung von Tarifverträgen."

Mitgliederversammlung 2015


Die Hauptpunkte der diesjährigen Mitgliederversammlung waren neben den Berichten der Vorsitzenden Ulrike Stepper und des Rechners Johannes Dürr die Vorstandswahlen für die nächsten zwei Jahre. Ulrike Stepper kandidierte wegen starker beruflicher Belastung nicht mehr und auch im erweiterten Vorstand hörten vier aus verschiedenen Gründen auf. Als Vorsitzende konnte Pfarrerin Erika Schlatter-Ernst gewonnen werden, die auch einstimmig gewählt wurde. Pfr. i.R. Gerhard Schubert wurde als Stellvertreter und Pfr. i.R. Johannes Dürr als Rechner ebenso einstimmig wiedergewählt. Für den erweiterten Vorstand kandidierten Ruth Bauer, Pfr.  Ralf Häußler, Renate Lück, Uli Maier und Prof. Dr. Martin Plümicke und wurden alle bestätigt beziehungsweise neu gewählt. Zwei Plätze sind nun noch frei. Aus der Synode arbeiten Amelie Hödl und Dr. Harald Kretschmer im Vorstand mit.    
Gerhard Schubert entließ Ulrike Stepper mit einer Dankrede aus dem Vorstand. Sie sei eine hervorragende Netzwerkerin gewesen sowohl zwischen Vorstand und Synodalen als auch zwischen den Gruppierungen und zur Kirchenleitung. Dass dies nicht alles spurlos an ihr vorbeigegangen sei, habe sich im Herbst gezeigt, als sie aus gesundlheitlichen Gründen kürzer treten musste. Auch Dekan i.R. Erich Haller wurde aus dem Vorstand verabschiedet.
Bericht: Renate Lück

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