Reformatorische Kirche ist Mitgliederkirche

Landeskirche Zwanzigzehn lebt vom Engagement der Ehrenamtlichen

In „Landeskirche Zwanzigzehn – Ein Beitrag zur Auseinandersetzung über die Zukunft unserer Kirche“, einem programmatischen Wurf, den die OFFENE KIRCHE 1995 für den Zeitraum von etwa zwei Synoden vorgelegt hat, heißt es u. a.:

„Landeskirche Zwanzigzehn ist ein Angebot an alle und bietet viele Möglichkeiten zur Beteiligung. Sie hat einen demokratischen, partizipatorischen, also evangeliumsgemäßen Aufbau. Sie verteilt vorhandene Arbeit auf gleichberechtigte, gleichverantwortliche Ehren-, Neben- und Hauptamtliche, die im Team arbeiten. Kirche Zwanzigzehn braucht und nutzt die Kompetenz ihrer Mitglieder. Sie gewinnt ehrenamtliche MitarbeiterInnen für überschaubare Zeiträume und Projekte und befähigt sie für ihre Arbeit. Landeskirche Zwanzigzehn ist nicht mehr pfarrerInnenzentriert. In einer demokratischen Landeskirche Zwanzigzehn ist Kirchenverwaltung auf allen Ebenen helfende und dienstleistende Einrichtung.“

Diese programmatische Grundlegung führte den Leitungskreis der OFFENEN KIRCHE zu folgenden Schlussfolgerungen:

I. Ausgangspunkt.

  • Die Reformatoren betonen das Priestertum aller Gläubigen. Christinnen und Christen haben eine unmittelbare Gottesbeziehung. Sie bedürfen nicht der Vermittlung durch Priester oder Bischöfe. Die Kirche mit ihrer Verkündigung und Diakonie ist daher Sache aller Christinnen und Christen.
  • Kirche, das sind alle Getauften. Ohne die vielen Kirchenmitglieder könnte Volkskirche nicht existieren. Kirche verkäme zur Sache von Eliten oder Cliquen, sie würde zur Randgruppe.
  • Unter den vielen Mitgliedern sind vielfältige Gaben und Charismen vorhanden, die entdeckt, gefördert und eingefordert werden wollen. Zudem gilt es, eine Kultur der Transparenz und Partizipation zu entwickeln.

II. Ziel

  • Landeskirche Zwanzigzehn baut Hierarchien ab, sie praktiziert das allgemeine Priestertum der Gläubigen. Sie braucht dazu Haupt-, Neben- und Ehrenamtliche gleichermaßen. Alle haben eigene Gaben und Charismen, die an ihrem je eigenen Ort zur Geltung kommen sollen. Alle tragen auf je eigene Weise dafür Sorge, dass die Kirche auf den Grund des Evangeliums gebaut wird.
  • Die Kirchenmitglieder in der Landeskirche Zwanzigzehn sind mündig, seien sie in ihr haupt-, neben- oder ehrenamtlich engagiert. Sie bringen sich gegenseitig Wertschätzung entgegen.
  • Ehrenamtliche in der Landeskirche Zwanzigzehn wissen, dass Pfarrerinnen und Pfarrer eine besondere Verantwortung für die öffentliche Verkündigung und die Seelsorge haben.
  • Pfarrerinnen und Pfarrer in der Landeskirche Zwanzigzehn bevormunden nicht, sie beteiligen, sie ermutigen und aktivieren die Gaben, die ein/e Jede/r empfangen hat. Sie haben gelernt, Charismen zu entdecken und zu ermutigen, Talente zu heben, Kompetenzen zu gewinnen und einzubinden, die Arbeit zusammen mit Ehrenamtlichen auf gleicher Augenhöhe zu tun.
  • Haupt-, Neben- und Ehrenamtliche in der Landeskirche Zwanzigzehn wissen, dass sie gegenseitig aufeinander angewiesen sind, dass Gemeindeleitung und –bau nur in gegenseitigem Respekt geschehen kann. In der Landeskirche Zwanzigzehn sind Hauptamtliche, gewählte Gremien und Ehrenamtliche deshalb ein kooperatives Team, das mit verteilten Aufgaben und Verantwortung gemeinsam das Gemeindeleben gestaltet.
  • Kirchenleitende Verwaltungen sind in der Landeskirche Zwanzigzehn Dienstleisterinnen. Sie arbeiten für die Gemeinden, für die gewählten Gremien und für die in den Gemeinden ehrenamtlich Tätigen in ihren vielfältigen Aufgabenstellungen. Sie wandeln sich von bevormundender Eingriffsverwaltung zu Servicestellen.

  III. Wirklichkeit

  • Die OFFENE KIRCHE weiß, dass in vielen Gemeinden Gemeindeleitung und gemeinsame Arbeit bereits partnerschaftlich und in großem gegenseitigem Respekt getan wird. Sie weiß aber auch, dass vielerorts die gemeindliche Wirklichkeit von den skizzierten Zielsetzungen noch weit entfernt ist.
  • Das Bewusstsein in vielen Gemeinden ist auf ein Rollenbild des/der PfarrerIn zurückzuführen, das in einer langen Geschichte entstanden ist. Dies hindert am selbstbewussten, mündigen Priestertum aller Gläubigen. Dies einzuüben fehlten auch die nötigen Lernfelder. Gemeindeglieder sehen noch zu häufig in Pfarrer oder Pfarrerin das „Mädchen für Alles“, die allgegenwärtigen, zuständigen Macher.
  • Auch gibt es immer noch Pfarrerinnen und Pfarrer, die nicht gelernt haben, mit der ihnen anvertrauten Verantwortung verantwortungsbewusst umzugehen und damit engagierte Ehrenamtliche vor den Kopf stoßen bzw. vom ehrenamtlichen Engagement abhalten. Die Folgen sind: Enttäuschte Gemeindeglieder und überarbeitete Pfarrerinnen und Pfarrer, die Aufgaben nicht loslassen können oder wollen, Konflikte statt Kooperation.

IV. Schritte

Mündige und selbstbewusste Gemeinde entsteht durch Übernahme von Verantwortung, durch Beteiligung, durch Delegation von Aufgabenfeldern. Dazu müssen Gemeindeglieder ermutigt und befähigt werden. Beteiligung von Vielen macht die Gemeinde stark. Die Vielfalt der Begabungen, der Meinungen, der Lebensalter und Interessen spiegelt sich wider in einer vielgestaltigen Gemeinde. Wichtig sind deshalb Schritte, um Voraussetzungen und Rahmenbedingungen zu schaffen, die zum Ehrenamt ermutigen und einladen, die evangelisches, teamorientiertes Gemeindeleben ermöglichen und herbeiführen können:

  • Ehrenamt kostet Geld.
  • Ehrenamt will und muss gefördert werden.
  • Ehrenamt muss attraktiv werden.
  • In einer „Akademie für Ehrenamtliche“, die auf allen Ebenen der kirchlichen Erwachsenenbildung mit ihrem Angebot vertreten ist, wird Weiterbildung für Ehrenamtliche organisiert. Dafür erarbeitet eine Kirche, der es mit dem Priestertum aller Gläubigen ernst ist, Fortbildungsprogramme und stellt bewusst das nötige Geld zur Verfügung.
  • Gegenseitiger Respekt und Vertrauen machen Ehrenamtliche stark. Theologinnen und Theologen sollen lernen, wie Gemeindeleitung gleichberechtigt und kooperativ geschieht, wie in der Gemeinde Bewusstsein für das Ehrenamt geschaffen und das Selbstbewusstsein Ehrenamtlicher gestärkt werden kann. Dies beginnt mit der bewussten Umsetzung von § 16 Abs. 1, Satz 1 der KGO: „Kirchengemeinderat und Pfarrerinnen und Pfarrer leiten gemeinsam die Gemeinde“. Dies setzt eine Reform der Ausbildung in der zweiten Ausbildungsphase und in Fortbildungsangeboten voraus.
  • Weitere Schritte können die Zusammenarbeit in den Gemeinden professioneller gestalten und damit das Ehrenamt attraktiver machen:
    Regelmäßige Besprechungen zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen fördern die Kommunikation und gewährleisten den Informationsfluss.
    • Ehrenamtliche übernehmen in allen gewählten Gremien den Vorsitz. Stimmrecht haben nur gewählte Mitglieder und Pfarrerinnen und Pfarrer. Zugewählte Mitglieder haben beratende Funktion.
    • Alle haupt-, neben- und ehrenamtlichen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirche sind an die Beschlüsse der gewählten Gremien gebunden und haben diese auszuführen.
    • Gemeindeglieder beteiligen sich in zeitlich begrenzten Projekten, die der Kirchengemeinderat beschließt. Sie entscheiden dabei selbstbestimmt über den ihnen zugewiesenen Projekt-Etat.
    • Viele Kirchengemeinden werden sich organisatorisch zusammentun. Dies wird haupt- oder ehrenamtliche Geschäftsführung nötig machen, durch die PfarrerInnen organisatorisch und administrativ entlastet werden.
    • Ehrenamtliche erhalten im Gottesdienst mit Segnung ihr Amt übertragen.

V. Fazit

In der Landeskirche Zwanzigzehn gibt es die diskriminierende Rede von den „Laien“ nicht mehr. Menschen, die von der frohen Botschaft zu selbständigem und verantwortlichem Handeln berufen und befähigt sind, bauen – ganz gleich ob im Haupt-, Neben- oder Ehrenamt – mit ihren jeweils eigenen Gaben und Charismen verantwortlich am Reich Gottes.

Dieses Papier ist in mehreren Beratungen des Leitungskreises der OFFENEN KIRCHE und einer intensiven Diskussion der Versammlung der BezirksvertreterInnen der OFFENEN KIRCHE entstanden.

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