Jubiläum 50 Jahre OFFENE KIRCHE in Württemberg
Jubiläumsfeier am 9. Juli 2022 in der Pauluskirche in Stuttgart-Zuffenhausen
Ruth Bauer und Prof. Dr. Martin Plümicke (re) befragen die Vertreter der anderen Gesprächskreise (v.l. Jungbauer, Böhler, Hanßmann; Foto: R. Lück)
Miriam Bauer und Hans-Ulrich Probst begrüßen die Mitglieder und Gäste aus Kirche und Politik: die Vorsitzende des Diakonischen Werks, Prof. Dr. Annette Noller und Bischof Dr. Frank O. July sowie den Stellv. Landtagspräsidenten Daniel Born und auch die Vertreter der Gesprächskreise "Lebendige Gemeinde", Matthias Hanßmann, von "Evangelium und Kirche" Dr. Harry Jungbauer und von "Kirche für morgen" Matthias Böhler.
Dr. July, gerade von seiner letzten Synodaltagung kommend, richtet eines der letzten Grußworte seiner Amtszeit an die OFFENE KIRCHE, wobei sich ein Kreis in seiner Biografie schließe. Seine ersten politischen Schritte führten ihn in den 1970ern im Dunstkreis der OK mit einer Studiengruppe zum ÖRK und zum Lutherischen Weltbund nach Genf. Damals sei er auch bei Pro Ökumene eingetreten. Er gratuliert der OK und dankt für ihr Wirken in der Landeskirche während der 50 Jahre. Das Buch zum 40. Geburtstag der OK hochhebend sagt er, man merke, dass die OK ein wichtiges Segment in der Landeskirche vorangetrieben habe. „Bestimmend war immer der Auftrag zu Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Ich danke für die Bereitschaft aufzubrechen und Nerven einzusetzen. Auch wir als Kirche waren vor 50 Jahren extrem polarisiert. Die Bibel ist die Urkunde unseres Glaubens. Die Kirche mit ihren unterschiedlichen Menschen und Sichtweisen braucht uns als Auslegungsgemeinschaft. Die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare hat Schmerzen bereitet. Die OK hat oft genug Bremsen gelöst. Sie hat beharrlich daran erinnert, dass die Verkündigung in den Gemeinden geschieht, aber auch in den Werken, der Akademie und Einrichtungen. Ich danke Ihnen für Ihr Engagement, dass die verschiedenen Ziele offen diskutiert werden. Ich danke für die Anstöße der OK.“
Daniel Born, MdL, verbindet mit dem Jahr 1972 Willy Brandt „und was uns alles mitgerissen hat“ und das Olympiastadion in München mit seiner Offenheit und Transparenz. „In der OK erkenne ich vieles wieder. Die Offenheit ist eine Stärke. Sie sorgt für Teilhabe und Teilgabe, dass sich alle einbringen. Dass jeder die Chance hat, wichtig zu sein, das verbindet uns als Demokrat*innen und Christ*innen. Danke, dass Sie diesen Weg gehen. Sie haben noch viel zu erreichen. Es tut unserem Land gut, starke Kirchen zu haben.“
Die OK-Synodalen Ruth Bauer und Prof. Dr. Martin Plümicke fragen ihre Kollegen von der LG, EuK und Kfm, mit denen sie gerade noch in der Landessynode diskutierten, nach ihren Einschätzungen der OK. Diese halten sie für streitbar, aber auch charmant. OK-Themen seien ihrer Meinung nach die „Ehe für alle“, Öffentlichkeitsarbeit und Gerechtigkeit. „Was findet ihr gut und was stört euch?“ Böhler (Kfm) findet die Streitkultur gut, „dass ihr unbequeme Dinge aussprecht.“ Dr. Jungbauer (EuK) ergänzt: „Das stärkt die Demokratie und die Rechte der Landessynode.“ Hanßmann (LG) meint dagegen: „Ihr bringt manchmal Themen ein, bei denen die LG sagte, das passt nicht. Zum Beispiel „Rotlicht aus“ über sexuelle Gewalt ist richtig, aber das ist Politik. Heute sehen wir, es ist wichtig.“
Ruth Bauer fragt: „Was wäre die Landeskirche ohne die OK?“ - „Viel zu privat, langweilig, manchmal einfacher“ kommt zurück. Martin Plümicke möchte wissen, welche Ereignisse mit der OK sich eingeprägt haben. Dr. Jungbauer war beeindruckt, als die zuständigen Sitze bei der letzten Wahl verringert wurden, dass Iris Kettinger zu seinen Gunsten auf ihre Kandidatur verzichtete. Böhler findet es toll, dass die Synodalen nach dem Streiten abends freundschaftlich unterwegs sind. Hanßmann fühlte sich in der Synode, in der die Abgeordneten altersgemäß sitzen, als LG-Mitglied zwischen den Oklern etwas ungemütlich. Plümicke entgegnete, dass er in der Synode davor zwischen lauter LGlern saß. Noch ein Wunsch: „Was wünscht ihr der OK für die nächsten 50 Jahre?“ - Böhler: „Dass sie sich diese Offenheit erhält und uns inspiriert.“ Jungbauer: „Ein gutes Miteinander und dass die OK die Gerechtigkeit im Blick behält.“ Hanßmann: „Die LG und und die OK operieren an den Flügeln der Landeskirche, z.B. bei der Segnung. Wenn Leute sagen: ‚Wenn das kommt, ist es nicht mehr meine Kirche‘, sage ich: Wenn wir uns nicht mehr ertragen, dann ist das nicht mehr meine Kirche.“
Gastrednerin Sabrina Münzer (Bild: R. Lück)
Die Vorsitzenden M. Bauer und H. Probst mit den OK-Gründungsmitgliedern (Bild: R. Lück)
Dr. Hans-Ulrich Probst leitet über zum Festvortrag zum Thema „Gutes Leben für alle“. Es brauche neben dem individuellen Einsehen auch den politischen Rahmen. „Wir werden das Thema weiter in die Gesellschaft bringen mit seinen ethischen, theologischen und ästhetischen Fragen.“
Sabrina Münzer, Akademische Mitarbeiterin für Wohnbau, Grundlagen und Entwerfen an der Kunstakademie Stuttgart-Weißenhof, hatte den Festvortrag zusammen mit Prof. Mark Blaschitz geschrieben, wobei sie das Positionspapier der OK überrascht habe. Mark Blaschitz und sie seien Künstler*in und Generalist*in in politischen Diskursen. Zur bildenden Kunst gehörten Architektur und Malerei, Design, Grafik und neue Medien. Die Architektur spiele eine bindende Rolle, die es erlaube, interdisziplinär etwas zu entwickeln. Und dann erläutert sie utopische Entwürfe fürs 21. Jahrhundert am Beispiel des Leonhardviertels mit seiner Kirche, dem Parkhaus und dem Niemandsland drumherum und als Kontrast das Dorotheenquartier in Stuttgart.
50 Jahre OK: Festvortrag zum OK-Jubiläum von Sabrina Münzer
Der Ehrenvorsitzende der OK, Fritz Röhm, beantwortet die Frage des Vorstands, was ihn zur OK motiviert habe. „Das war kein Anlass, sondern ein Prozess, der sich zur OK hin entwickelt hat. Ich bin vor 89 Jahren hier in der Pauluskirche getauft worden. Meine Eltern waren fromm und gehörten dem Martinsverein an. Zu seinen Predigten brachte Pfarrer Dr. Herbert Werner, der von Karl Barth geprägt war, oft eine Zeitung mit, die er neben die Bibel auf die Kanzel legte. Er war ein Mann der Bekennenden Kirche. Auch mein Vater gehörte im 3. Reich zur Bekennenden Kirche und hat Niemöller erlebt, der oft fragte: ‚Was würde Jesus dazu sagen?‘. Unser Pfarrer motivierte mehrere Jugendliche, Theologe zu werden, auch meinen älteren Bruder. In den 1960ern gab es theologische Berichte in der Öffentlichkeit, Kritik an der Kirche und Theologiekurse für Nicht-Theologen im Radio. Die Schriften der Professoren Bultmann und Käsemann befeuerten den Streit um die Bibel. Als am 17. Oktober 1969 der Präsident der Landessynode, Oskar Klumpp, zurücktrat, bildeten am 7. November hundert Theologen und Nicht-Theologen, die an Reformthemen arbeiteten, die ‚Kritischen Kirche‘. Zur Synodalwahl 1971 suchten sie als ‚Synode 71‘ Kandidat*innen und erreichten auf Anhieb 31 Prozent der Stimmen. Wir erhielten aber nur 26 Prozent der Sitze.“ Plakate von Jochen Stankowski zu dieser Wahl hingen an den Emporen der Kirche. „Der Name OFFENE KIRCHE geht wohl auf Werner Simpfendörfers Buch ‚Offene Kirche - Kritische Kirche‘ zurück. Bonhoeffers ‚Dasein für andere‘ war der Maßstab der Kirchenreformprojekte. Ich fühlte mich privilegiert, an der Kirchenpolitik mitgestalten zu können. Es hat mir Spaß gemacht. Und ich freue mich über die Arbeit, die die Vorsitzenden und Synodalen leisten und ihr Motto, die Landeskirche zu stärken. Ich wünsche dem Vorstand und der Fraktion Gottes Segen.“
Miriam Bauer und Dr. Hans-Ulrich Probst ehren dieGründungsmitglieder. Einige fehlen aus verschiedenen Gründen. Gekommen waren Marie-Luise und Christian Buchholz, Christian Horn, Heide Kast, Immanuel Nau, Dr. Jürgen Quack, Fritz Röhm, Gustav-Adolf Traut, Friedhelm Vöhringer und Dr. Sören Widmann. Sie bekamen ein Olivenbäumchen. Nicht kommen konnten Dieter Altenmüller (Esslingen), Martin Baisch (Ulm), Hans-Peter Becker (Filderstadt), Gerhard Dürr (Stuttgart), Renate und Gerhard Dreher (Reutlingen), Gudrun Eitel (Stuttgart), Michael Fritz (Langenburg), Eckart Gundert (Ulm), Erich Haller (Aalen), Ellengard Hermann (Kirchheim), Dr. Christoph Jäger (Ostfildern), Dorothee Keinert (Stuttgart), Christel Müller-Schöll (Ludwigsburg), Reiner Mauk (Ludwigsburg), Dr. Albrecht Miehlich (Filderstadt), Hermann Proß (Aichwald), Brigitte Röhm (Stuttgart), Margarete und Eckart Rein (Stuttgart), Martin Schuez (Heilbronn), Hans-Martin Tramer (Schorndorf), Werner Wolff (Heiningen), Eva Zerweck (Herrenberg) und Dorothea Holl (Stuttgart).
Landesbischof July verleiht die Brenzmedaille an Renate Lück (Bild: E. Lück)
Stefanie Pfander, Felicitas Renard (Bild: R. Edel)
Renate Lück, die nach 30 Jahren Redaktionsarbeit die Zeitung „anstöße“ in jüngere Hände gibt, erhält von Bischof Dr. July die bronzene Brenz-Medaille und einen neuen Anstecker mit dem Bild des Reformators. Sie dankt allen, die sie unterstützt haben, und ist gespannt auf die nächsten „anstöße“.
Danach stellen junge Leute aktuelle Projekte vor: Vorstandsmitglied Christopher Zeyher spricht über die Friedens-AG, die ein Positionspapier als Beitrag zur Diskussion um Krieg und Frieden erstellte. Das werde auf der Homepage zu finden sein und weiter veröffentlicht. Als nächste OK-Veranstaltung startet am 15. Oktober die Mitmachkonferenz zum Thema „(Zu)Flucht - es ist Zeit für eine offene rassismuskritische Kirche!“ Es beginnt um 10 Uhr mit einem Gottesdienst in der Stiftskirche und geht mit Workshops dort und in der eva bis 15 Uhr weiter. Die Leitung haben mit Gabriele Arnold, United4Rescue, Nathalie Eleyth, Ines Fischer und Stephanie Pfander. Die beiden Pfarrerinnen Stephanie Pfander und Felicitas Renard laden auch zur Denkbar ein, die sie zusammen mit Joachim L. Beck entwickelten. Dazu gibt es vier digitale Themenabende. Am 29. 9. startet um 18.30 Uhr der erste zum Thema „Wie kann Frieden in Zukunft gewahrt werden?“ Am 8. November geht es weiter mit „Die Bedeutung der sozialen Herkunft“ und im März und April um „Klimagerechtigkeit ohne Gas aus Russland, sondern mit Kohle“ und „Care-Ethik“. Zu allen Abenden werden Fachleute kommen. Nähere Informationen und Anmeldung bei der Geschäftsstelle der OK, Mail: geschaeftsstelle@offene-kirche.de
Den Abend umrahmen die Musiker Jonas Geiger am Schlagzeug, Daniel Rikker mit seinem Saxophon und Mathis Hilsenbeck am Piano. Nach dem offiziellen Programm können sich alle draußen bei Fingerfood und Getränken unterhalten.